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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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nachdem Megan, damals sechs, in die erste Klasse gekommen war, erzählten ihr ihre Mitschüler, diese kleinen Fieslinge - sie hatten es von ihren Eltern gehört, die es von jemandem im Super-Valu gehört hatten, der es wo auch immer gehört hatte -, ihre Mutter sei ein »Gemüse«. Wie diese kleinen Monster nun mal sind, grölten sie ihr auf dem Schulhof Einkaufslisten zu: »Salat. Mais. Grüne Bohnen, Karotten Megans Mutter ist eine Karotte.« Und so weiter. Am Tag des Börsenkrachs von 1987, wenige Sekunden nachdem mir klargeworden war, daß ich fast mein gesamtes Anlagevermögen verloren hatte, rief mich Megans Schuldirektor mittags in meinem Büro an - Lois war nicht zu Hause, daher wandte er sich an mich. Er sagte, Megan sei »völlig außer sich«. Ich fuhr von der Innenstadt aus hin, um meine Tochter abzuholen, und darin gondelten wir ziellos mit dem Wagen durch die Gegend. Die Blätter waren gerade dabei, sich zu verfärben, und erinnerten in den länger werdenden Schatten des Herbstes an Wein. Das Radio war aus. »Was ist denn los, meine Süße?“
    »Dad, die sagen alle, meine richtige Mutter ist eine Karotte.“
    »Sie ist aber keine Karotte. Das ist unmöglich.“
    »Salat?«
    »Megan! Natürlich ist sie kein Salat - und auch nicht irgendein anderes Gemüse. Deine Mutter ist kein Gemüse, Megan.“
    »Warum sagen dann alle Karotte zu ihr?“
    »Weil Kinder grausam sind, Megan. Sie reden irgendwelchen Blödsinn und haben dabei gar keine Ahnung, was sie da eigentlich sagen.«
    »War ich früher mal eine Karotte?«
    Wir kamen zu einem Stoppschild am Hadden Drive. »Megan, hör auf ...«
    Megan öffnete die Tür und rannte hinaus in das Wäldchen neben der Golfbahn. Mist. Ich ließ den Wagen mit laufendem Motor und weitgeöffneter Tür am Stoppschild stehen und jagte ihr hinterher. Zum Glück kannte ich mich in dem Dickicht so gut aus wie jedes Kind, schließlich hatte ich dort selbst sehr viel Zeit verbracht, als ich noch klein war. »Megan, komm zurück.“
    » Kliek. Kliek. Kliek.«
    Was für seltsame Laute gab sie da von sich? Ich folgte dem Geräusch über eine Reihe gefällter Baumstämme, über ein taufeuchtes Grüppchen Psilocybin-Pilze und dann auf eine Lichtung, auf der wir als Teenager, viele Freitag- und Samstagabende verbracht hatten. Megan saß zusammengekauert neben einem alten, verfaulten Baumstamm, der vermutlich schon in den 20er Jahren gefällt worden war. »Kliek. Kliek. Kliek.«
    »Megan, da bist du.« Ich blieb stehen, um wieder zu Atem zu kommen, und ließ meinen Blick über das trockene, kühle Stück Waldboden schweifen. Hier wuchs kein Unterholz, denn die Baumwipfel darüber ließen dafür zuwenig Licht durch. Zwischen den Jahresschichten von abgeworfenen Pinien-, Tannen- und Zedernnadeln lagen Fetzen unzähliger Zigarettenschachteln, von der Witterung vergilbte Pornomagazine, Bonbonpapier, Kondome, leere Taschenlampenbatterien und haufenweise geklaute Mercedessterne. »Kliek.«
    »Megan, was ist das für ein Geräusch?“
    » Kliek.«
    Das konnte ich auch. Ich sagte: »Klieg Klieg.«
    Megan verdrehte die Augen. »Daddy. Du machst das nicht richtig.«
    »Klieg. Klieg.«
    »Daddy, so klingen keine Karotten. Die klingen so: Kliek. Kliek. Kliek.«
    »Wie dumm von mir. Hatt' ich ganz vergessen.« Es folgte ein Moment der Stille, und ich mußte an den Sommer denken, als Jared und ich von einem älteren Pärchen einen Golfcaddy ausgeliehen hatten, damit durch den Wald gefahren und im letzten Moment, bevor er über eine kleine Klippe stürzte, rausgesprungen waren. Wir wurden nie erwischt. »Megan, um Gottes willen, hör auf mit diesem Karottenkram. Du weißt, daß das nicht wahr ist.“
    »Wo ist meine richtige Mom?« Jetzt klang sie weinerlich. »Okay, Megan. Ich sag's dir, okay?«
    »Okay.« Sie fiel in sich zusammen und entspannte sich sichtlich.
    Ich holte tief Luft. »Deine Mom ist mit achtzehn krank geworden. Sie hat am gleichen Tag Geburtstag wie du.“
    »Wirklich?“
    »Wirklich.«
    Ich erzählte Megan von ihrer Mutter - alles -, und danach gingen wir wieder zum Auto, das mit immer noch laufendem Motor darauf wartete, uns von dort wegzubringen. Natürlich wollte Megan Karen sehen - je eher, je lieber. Wir fuhren noch am selben Abend hin. Meine Mutter und das Pflegepersonal im Inglewood machten Karen zurecht, so gut sie konnten. Im Heim angekommen, grüßte ich die Schwestern und Pfleger, wie ich es schon hundertmal getan hatte. Mein Magen fühlte sich die ganze Zeit schwerelos und

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