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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Magen gespeist. Nachdem man ihr hinten offene Spezialkleidung angezogen hatte, wurde Karen in einen Geriatrie-Rollstuhl mit Gesäßpolster und einer Vorrichtung zum Aufrechthalten des Kopfes gesetzt. Sie war bei jedem Frühstück, Mittag- und Abendessen dabei, das im Heim serviert wurde, sowie bei besonderen Ereignissen wie Filmvorführungen und Geburtstagsfeiern und sogar einem Gottesdienst, der meistens, aber nicht immer, sonntags abgehalten wurde. Zwischen den Mahlzeiten saß Karen in ihrem Stuhl in ihrem Zimmer, und regelmäßig kamen Pflegekräfte, um ihre Position zu verändern. Karen war ein untypischer Fall, denn bei ihr traten nur wenige der Komplikationen auf, an denen Komapatienten normalerweise leiden: Lungenentzündungen, Darmverstopfungen durch zuwenig Ballaststoffe, Harnwegsinfektionen, Blutgerinnsel in den Beinen, Krämpfe, Magenperforationen oder Hautschäden und -infektionen durch die mangelnde Blutzirkulation.
    Bei Karen ließ sich kein »Stecker herausziehen«, wie es so schön heißt. Es gab nur mehr oder weniger radikale Maßnahmen, denen ihre Eltern zustimmen mußten, um sie am Leben zu erhalten, beispielsweise Antibiotika gegen Lungenentzündung. George wollte alle Behandlungsmöglichkeiten ausschöpfen, Lois hingegen weigerte sich, zu dem Thema Stellung zu nehmen. Viele Eltern von Komapatienten lassen sich nach Jahren voller Seelenqualen, Selbstvorwürfe, Rechtsanwälte, Sozialarbeiter, Familienkonferenzen, Arzte, Krankenschwestern und Rechnungen scheiden. George und Lois blieben zusammen.
    »Komas sind ein seltenes Phänomen«, erklärte Linus mir einmal. »Sie sind ein Nebenprodukt des modernen Lebens. Vor dem Zweiten Weltkrieg hat es, soweit bekannt ist, so gut wie gar keine Komapatienten gegeben. Die Leute sind einfach gestorben. Komas sind so modern wie Polyester, Flugreisen und Mikrochips.«
    In den Jahren seit dem Vorfall war Karen auf Haut und Knochen abgemagert, und ihr Körper sah aus wie ein Gerippe mit gelber Lederbespannung. Außenstehende hätten sich bei ihrem Anblick vermutlich heftig gegruselt. Ihr Haar war dünn geworden und hatte mit 23 Jahren zu ergrauen begonnen. Sie atmete ohne Beatmungsgerät, und ihr fast unhörbares Luftholen war das einzige Anzeichen von Lebenskraft. Stabile Schienen und Stangen sollten ihren Körper davon abhalten, sich zu verkrümmen, doch zu den medizinischen Kuriositäten an ihrem Fall gehörte, daß sie, anstatt eine »Embryonalhaltung« einzunehmen, der ihre Beinschienen vorbeugen sollten, beweglich und unverkrampft blieb. Nicht wenige Forschungsmediziner und Studenten von der UBC waren gekommen, um Karen in ihrem permanent entspannten Zustand zu untersuchen.
    Im Frühjar 1981 stand Hamilton eines Tages wutschäumend vor meiner Tür - mit aufgeplatzter Lippe und einem blauen Auge. »Klaus, dieser Klistierbeutel, hat mir mit einem Stativ eins übergebraten. Den kann Pam gerne behalten.« Ich fragte, wer Klaus sei: »Pammies neues Spielzeug, so ein Muskelprotz.« Am nächsten Tag rief Pam mich an, um sich zu verabschieden; sie zog mit Klaus nach New York. »Er ist kein besonders talentierter Fotograf, - Rick, aber er ist süß.« Die nächsten zehn Jahre sah ich Pam nur auf Zeitschriftencovern und hörte von ihr ausschließlich per Telefon, wenn sie mich mal kurz atemlos von irgendwelchen Jet-Set-Orten anrief:
    »Hi, Rick. Ich sitze gerade in einer G3, über Juneau (knister knister). Ach Mist, jetzt ist mir das Koks auf den Schoß gefallen. Oliver, um wieviel Uhr geht's los? Nein das war die Jacke in Madrid. Hi ... Richard wo waren wir stehengeblieben?«
    Hamilton verbrachte ein paar Jahre mit einem Landvermessungstrupp in der Wildnis des nördlichen British Columbia. Hier entdeckte er seine Liebe zum Sprengstoff, die logische Fortsetzung einer Neigung zur Pyromanie, die schon in der ersten Klasse mit schwarzen Ameisen, Grillanzündern, Hamburger-Schachteln und einem riesigen Vergrößerungsglas ihren Anfang genommen hatte. 1985 hatte er seinen Abschluß in Geologie und seine Sprengmeisterlizenz, und danach zog er jahrelang glücklich und zufrieden durch die Lande, legte Berge in Schutt und Asche und zerbröselte Felsen zu Schotter. Linus wurde Elektroingenieur, was niemanden überraschte. Nach dem Abschluß arbeitete er zwei Jahre lang bei einem Ingenieursbetrieb in der Stadt. Wir sahen ihn nur selten. Sein Leben schien eher öde zu sein. Er war zu früh erwachsen geworden.
    Die brave Wendy studierte Notfallmedizin an der UBC. Wie es im Leben

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