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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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einer Medizinstudentin nun einmal ist, bekamen wir Wendy die ganzen zehn Jahre über nur zu Gesicht, wenn sie sich, unausgeschlafen, zerstreut, mit rotfleckigen Augäpfeln, zerknitterten Klamotten und einem geistesabewesenden, von Krähenfüßen gezeichneten Gesicht, mal eine Atempause gönnte. Eines Tages erzählte sie Hamilton und mir bei einem Mittagessen vom Unbill der Medizin - Sechsunddreißig-Stunden-Tage, drachenhafte Oberschwestern und fleischfressende Bakterien, die an jeder Ecke auf der Lauer liegen. »Mein Gott, ich fühle mich die ganze Zeit wie eine Tüte Milch, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Aber ich liebe die Arbeit.«
    Hamilton zog eine Flasche Visine-Augentropfen aus der Tasche und sagte Wendy, sie solle sich zurücklehnen. »Da«, fuhr er fort - und träufelte ihr etwas davon in beide Augen. »Es gefällt mir nicht, dich so kaputt zu sehen. Geht's deinen Augen jetzt besser?«
    »Ja. Danke, Ham.«
    »Behalt die Flasche. Ich hab' sie für dich gekauft. Wollen wir ein bißchen in Ambleside am Strand Spazierengehen?“
    »Nichts lieber als das, Ham, aber ich habe Nachtschicht. In einer Viertelstunde muß ich da sein.«
    Ich hingegen fuhr zur Arbeit an die Börse von Vancouver ein einträglicher Job, aber so langweilig, daß mir die Worte fehlen, es zu beschreiben.
     
    Megan wußte von Anfang an, daß ich ihr Vater war, aber was sie über Karen erfahren durfte, stand auf einem anderen Blatt. Da gab es keine falsche und keine richtige Entscheidung. Der Entschluß, ihr nichts von Karen zu erzählen, fiel uns schwer. Hätten wir ihr sagen sollen, Karen sei tot? Eine Lüge. Hätten wir ihr sagen sollen, sie mache eine lange Reise? Albern. Hätten wir ihr sagen sollen, Karen sei krank? »Da wäre das einzige Problem«, sagte mein Dad, »daß sie sie natürlich sehen wollen wird. Für ein kleines Kind könnte Karens Anblick, so sehr wir sie auch liebhaben, mehr als ein Schock sein - vielleicht sogar grausam.«
    Schließlich kamen wir überein, daß Megan mit sieben Jahren reif genug sein würde, Karen zu sehen. In der Zwischenzeit erzählten wir ihr, Karen sei krank, und es würde noch ziemlich lange dauern, bis wir sie besuchen könnten. Schon bald stellte Megan die unvermeidlichen Fragen: »Wie war Mom, Dad? Du weißt schon, meine richtige Mom.« Diese Differenzierung, so natürlich sie auch war, ließ Lois jedesmal zusammenzucken. »Ist Mom tot?“
    »Ist meine Mom hübsch?“
    »Mag Mom Pferde?“
    »Wenn Mom zu Besuch käme, könnte sie mir dann helfen, mein Zimmer aufzuräumen?« 1986 wurde Megan eingeschult und ging mit rückhaltloser Begeisterung zur Sache. Jeden Morgen sprang sie aus dem Bett und schoß zur Küchentür hinaus, noch bevor Lois Gelegenheit hatte, ihr eine Moralpredigt oder sonstige Vorträge zu halten. Keine Aktivität außerhalb des Stundenplans war ihr zu zeitraubend, keine Hausarbeit oder Musikstunde zu lang. • Und Megan sah tatsächlich ein wenig aus wie ich mit einer Arschkopfperücke auf dem Kopf, als sie diese ersten Schritte ins Leben machte - ihr Haar war glatt wie Regen, wogegen an sich nichts zu sagen war -, doch das Schicksal hatte Mitleid mit ihr. Als ihr Babyspeck dahinschmolz, kamen Karens unendlich viel hübschere Züge darunter zum Vorschein. Insgeheim stießen wir alle einen Seufzer der Erleichterung aus. Hin und wieder holte ich Megan von der Schule ab und fuhr sie nach Hause: Ding dong, hallo, Lois... »Weißt du, Richard, ich begreife einfach nicht, wieso ihr die Schule solchen Spaß macht. Sie hat hier ein hübsches Haus und haufenweise Spielsachen, außerdem habe ich fast ihre gesamte Freizeit mit sinnvollen Aktivitäten verplant. Sie hat also keinen Grund, sich bei dir herumzutreiben. Nichts für ungut, aber euer Haus ist auf ein kleines Kind einfach nicht eingerichtet. Letzte Woche war ich zum Kaffeetrinken bei euch, und da hatte ich meine liebe Not, wenigstens einen Ball zu finden - und dann stellte sich auch noch raus, daß er Charlie gehört [unserem Golden Labrador]. Von jetzt an werde ich viel strenger sein müssen. Oder mir etwas einfallen lassen, womit ich sie besser im Zaum halten kann. Komm rein, Megan. Die Vokabelkarten warten auf uns. Auf Wiedersehen, Richard, und bitte schneid dir die Haare. Sogar ich habe schon mitbekommen, daß heutzutage kürzere Haare in Mode sind, und schließlich bist du jetzt Vater.« Tür zu, gedämpftes Gekläffe, Megans Gebrüll, als die französischen Vokabelkarten herausgeholt werden. Arme Kleine.
    Kurz

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