Girlfriend in a Coma
schwachsinnige Schnapsdrosseln, fitneßcentergestählte Muskelprotze - Wahnsinn, wie schnell die in Rage geraten.« Wir fanden jede Location, die der Regisseur benötigte, innerhalb weniger Minuten, was vor allem der Tatsache zu verdanken war, daß ich sowohl Immobilien hier verkauft hatte als auch hier aufgewachsen war. Endlich waren wir zu etwas nütze.
Scott, ein Typ von einer Produktionsfirma aus Los Angeles, erzählte uns, daß sie »einfach alles hier drehen, weil Vancouver so einzigartig ist: Man kann es mit wenig Mühe und noch weniger Kosten zu jeder nordamerikanischen Stadt oder Landschaft morphen, aber gleichzeitig hat diese Stadt ihr eigenes, unverwechselbares Flair. Seht ihr das Motel da drüben? Das stellte in einem Fernsehfilm ›Pittsburgh‹ dar.« Scott war ebenso wie wir nicht für die Arbeit beim Film ausgebildet. Wie alle in der hiesigen Filmindustrie kam er aus einem anderen Beruf. Mathematiker, Juristen, Zahnarztgehilfen, Ex-Hippies - all diese Menschen sprangen einfach ins kalte Wasser. Diese Energie machte geradezu süchtig. Das Leben war ein einziger Cha-Cha-Cha. »Mann o Mann«, gab Hamilton gerne an, »sind wir nicht die smartesten, coolsten, hipsten, tollsten, sexysten, schärfsten und cleversten Leute, die wir kennen?«
»Ja, Hamilton«, antworteten wir dann wie Androiden. »Du auf jeden Fall.«
Dann machte die Nachricht die Runde, daß Fox in Vancouver einen Pilotfilm für eine Serie drehen würde, für die ein Dutzend Folgen pro Jahr vor Ort produziert werden sollten. Es gab ein paar Telefongespräche, und bald darauf arbeiteten Pam, Hamilton, Linus und ich bei dieser neuen Serie, in der Verschwörungen, seien sie außerirdischer, staatlicher oder klerikaler Natur, und paranormale Phänomene das Leben von Durchschnittsmenschen durcheinanderbrachten. Diese Vorkommnisse wurden abwechselnd von einem Kriminalbeamten, der an das Übernatürliche glaubt, und seiner Kollegin, die ihre Zweifel daran hat, untersucht. Es war eine einfache Formel, aber eine, die uns ansprach. Dreharbeiten zu Pilotfilmen sind ein beschissener Job. Wir genossen unsere Arbeit als Location-Scouts, so gut es ging, und versuchten das Beste daraus zu machen. Wir spürten naßkalte, dichtbewachsene, immergrüne Ausgaben von Florida, Kalifornien, Wisconsin und Pennsylvania auf. »Bloß gut, daß diese Serie nicht allzu viele Botaniker sehen«, sagte Linus mit nervenzermürbender Regelmäßigkeit.:»Oder Meteorologen.« Da es in Vancouver ziemlich oft regnet, regnete es auch in der Serie ziemlich oft. Die Kritiker lobten die verregnete »Noir«-Atmosphäre. Wann immer die Sprache auf dieses Thema kam, tirilierte Pam nur: »Kicher kicher.« Nach ein paar Wochen führte Tina Hamilton und Linus bei einer auf der anderen Seite der Stadt gelegenen FX-Firma namens Monster Machine in die Welt der Special Effects ein. Ihre Augen begannen zu leuchten, innerhalb einer Woche hörten sie bei Fox auf, um bei Monster Machine anzufangen und damit in ein eigenes Reich abzutauchen, das aus Kunstblitzen, Latex-Gliedmaßen, Blue-Screen-Verfahren und eimerweise Blut bestand. Mit ihren Kenntnissen in Sachen Sprengstoff und Elektrotechnik konnte man sie einfach nicht abweisen. Und ich? Ich blieb am Set meines wöchentlichen Mystery-Dramas. Es war zwar noch kein Hit, aber das Ambiente gefiel mir, und ich hatte noch nie bei einem Dreh mit so höflichen Menschen zusammengearbeitet. Schon bald kündigte Pam ihren Job als Visagistin und ging zu der Special-Effects-Firma, bei der Hamilton und Linus bereits arbeiteten; die drei erwarben sich in Vancouver einen Ruf als fähige FX-Leute. Ihre Spezialgebiete waren Körperabgüsse aus Latex und überzeugende Explosionen. Unter Kombination ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten schufen sie Aliens, Zombies, Vampire, Mafia-Mordopfer, Menschen in allen möglichen Stadien der Verwesung, Mumien, Horror und Explosionen. Sie verreisten oft, meist nach Kalifornien, um dort Seminare bei den Koryphäen auf diesem Gebiet zu besuchen, und kehrten mit Tüten voller in Seidenpapier eingewickelter geschmuggelter deutscher Keramikaugäpfel nach Kanada zurück. »Sind die nicht wunderbar? quietschte Pam, als ich sie mit dem Auto vom Flughafen abholte.
Pam war richtig glücklich. Schluß mit den »Was wurde eigentlich aus ...?«-Artikeln, jetzt hieß es nur noch: »Tolles Comeback!« Ein Exmodel, das Special-Effects-Spezialistin geworden war, war für die Medien ein gefundenes Fressen. Und was hinzu kam: »Ich habe die
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