Girlfriend in a Coma
Empfindungen in meinem Herzen - meiner Seele? Fakt war, daß wir bei unserer Arbeit tagein, tagaus am laufenden Band mit verschiedenen Arten von Paranoia, verquasten Weltanschauungen und religiösem Hokuspokus konfrontiert wurden. Der tägliche Umgang mit diesen Dingen hatte begonnen, Saiten in mir anzuschlagen, die bis dahin unangetastet geblieben waren. Wie die meisten Leute, die ich kannte, machte ich mir keine Gedanken darüber, was nach meinem Tod mit meinem »Ich« passieren würde. Irisgeheim ging ich vage davon aus, daß ich irgendwie in einer anderen Form weiterleben würde, und damit hatte sich's. Aber damals kamen mir ungekannte Zweifel: Würde ich wirklich weiterleben? Und wie?
Linus war ein guter Gesprächspartner, wenn ich wieder mal in eine meiner Grübelphasen verfiel. Eines Tages sagte er am Set: »Richard, ich muß dich mal was fragen: Was ist der Unterschied zwischen der Zukunft und dem Leben nach dem Tod?«
»Hast du über so was nachgedacht, als; du in Las Vegas warst?« erwiderte ich.
»Vielleicht. Aber beantworte meine Frage.«
»Der Unterschied ist, daß ...« Einen Moment lang wußte ich nicht weiter.
»Ja?«
»Der Unterschied«, sagte ich, »ist, daß es beim Leben nach dem Tod nur um Unendlichkeit geht, bei der Zukunft hingegen ausschließlich darum, wie sich die Welt verändert Mode, Maschinen und Architektur.« Wir arbeiteten gerade an einem Fernsehspiel über Engel, die zur Erde hinabsteigen, um Hausfrauen zu helfen. Obwohl ich eine dunkle Brille trug, tat mir das Sonnenlicht in den Augen weh. »Also«, fragte Linus, »wenn man stirbt, kann man dann immer noch fernsehen und Zeitschriften lesen? Kriegt man dann noch mit, was auf der Erde passiert? Oder landet man an einem Ort, wo das kein Thema ist?“
»Weiß ich nicht. Es würde mich ganz schön wurmen, nicht zu wissen, wie die Stadt in hundert Jahren aussieht. Oder wie meine Lieblingsstars in fünfzig Jahren aussehen.“
»Hmmm.« Der »Star« des Engelfilms ging vorbei und bat Linus um Feuchtigkeitslotion für seine Ellenbogen. »Ich bin für die Special Effects zuständig«, erwiderte er. »Aber ich kann dir einen Klecks blutrote Schmiere zum Einreiben geben.« Die Schauspielerin zog beleidigt ab - kein Sinn für Humor.
Ich begann mich auch mit anderen Themen zu beschäftigen, mit der Frage nach Autorität, danach, wer die Welt regierte und wer nicht. Wie bei vielen anderen Leuten hatte der ständige Kontakt mit paranormalen Situationen auch bei mir dazu geführt, daß das Gefühl an mir nagte, gewisse Informationen würden zurückgehalten. Den Glauben an UFOs fand ich eigentlich idiotisch, aber dennoch war etwas in mir, das sagte: Vielleicht.
»Sieh es doch mal so«, sagte Linus, bevor er aufstand, um einen hängenden Flügel zu richten, »du mußt all diese kleinen Nichtigkeiten nehmen, mit denen wir es hier zu tun haben Außerirdische, Verschwörer, Engel, die übermächtige Regierung -, und dir daraus ein brauchbares Bild vom Leben nach dem Tod konstruieren. Oder von der Zukunft. So oder so, reicht das? All diese albernen ›Filme der Woche‹, bei denen wir mitarbeiten - Fernsehspiele über vor langer Zeit gestorbene Kampfpiloten, die plötzlich in der Gegenwart wiederauftauchen; merkwürdige Kinder, die binäre Botschaften schreiben und von der Regierung entführt werden; Kannibalismus, Menschen, die vom Erdboden verschwinden, gekidnappte College-Studenten; verbrannte Menschen, die wieder zum Leben erwachen; Holzfäller, die Gott gesehen haben; grünes Blut; körperlose Seelen, die in einen Körper zurückgelockt werden -« Sein Pieper meldete sich. »Manana. Ich muß los.«
Ich blieb in der Sonne sitzen. Im Catering-Laster wurde mit lautem Geklapper und Geklirr abgewaschen. Das Sonnenlicht brannte heiß. Ich fühlte mich wie im Innern des Leitstrahls einer fliegenden Untertasse - einem Strahl, auf dem ich gen Himmel schwebte, wo ich endlich Antworten bekommen würde.
13
Verschmähe jede Idee
Als ich herausfand, daß Hamilton und Pam fixten, hielt ich das zunächst für einen schlechten Witz, denn da der Hafen von Vancouver in den letzten Jahren zu einem Salatbüffet für billige Drogen aus Asien geworden war, gehörte Heroin inzwischen zum Lokalkolorit. Die beiden hatten ein kleines 50er-Jahre-Haus am Ende des Moyne Drive gemietet, in Spuckweite sowohl von Karens Elternhaus als auch von Linus und Wendy. Bei der Abschlußparty eines Drehs im März fand ich im Mülleimer ihres Badezimmers zwei Spritzen,
Weitere Kostenlose Bücher