Giselles Geheimnis
sich selbst etwas vor, weil sie es so unbedingt glauben wollte.
Als es dieses Mal an ihrer Tür klopfte, war es tatsächlich Stefano, der im Dinneranzug vor ihrer Schwelle stand. Er sah so überwältigend gut aus, dass ihr Herz den sprichwörtlichen Hüpfer machte. Sie verglich seine formelle Erscheinung mit dem Bild, das sie von der engen Umarmung vorhin in sich trug, und erneut setzte ihr Herz einen Schlag lang aus.
„Ich fürchte, ich bin noch nicht ganz fertig. Ich muss mich noch frisieren.“ Sie bemühte sich, gelassen und ruhig zu klingen, während er in den Raum kam.
„Lass es so. Es sieht gut aus.“
Argwöhnisch sah Giselle ihn an. Sie hatte doch die Strähnen gesehen, die sich aus der Spange gelöst hatten und sich nun um Hals und Nacken kringelten. „Es wirkt unordentlich“, widersprach sie, „so, als wäre ich gerade …“ Abrupt brach sie ab, wurde ihr doch jäh klar, was sie hatte sagen wollen: so, als wäre sie gerade aus dem Bett gestiegen.
„Nein, es passt zu dir“, beharrte Stefano und fügte noch hinzu: „Außerdem bleibt nicht mehr viel Zeit. Und ich kann dir versichern, dass Aldo es nicht einmal bemerken wird. Er hat nur Augen für Natasha, der arme Narr. Apropos Natasha … Ich glaube, die hier würdest du sicher gern tragen.“ Während er sprach, zog er ein atemberaubendes Diamantcollier und ein Paar passender Ohrringe aus seiner Jacketttasche. „Sie gehörten meiner Mutter.“
„Deiner Mutter?“ Giselle schüttelte den Kopf. „Oh nein, so etwas kann ich unmöglich tragen.“
„Sie wäre einverstanden damit.“ Und noch während er die Worte aussprach, wurde ihm erstaunt klar, dass es stimmte. Seine Mutter hätte Giselle gemocht. „Du solltest sie tragen. Natasha wird sicher behangen sein wie ein Weihnachtsbaum.“
„Ist sie“, bestätigte Giselle zerstreut.
„Du hast sie schon gesehen?“
„Sie kam her – um mich zu warnen, dass du niemals eine feste Bindung mit mir eingehen wirst oder zulässt, dass ich dein Kind bekomme. Weil du es nicht erträgst, dass dein Sohn hinter Aldos Sohn zurückstehen wird.“
„Stimmt, ich habe nicht vor, Kinder in die Welt zu setzen. Aber das hat überhaupt nichts mit der Erbfolge im Herzogtum zu tun. Hier, lass mich dir das Collier anlegen, der Verschluss ist etwas schwierig …“
Im Spiegel sah sie das Bild – die funkelnden Diamanten an ihrem Hals, Stefano, der hinter ihr stand, seine Hände an ihrem Hals. Jede Zelle in ihrem Körper spürte seine Nähe. Sein warmer Atem an ihrem Nacken jagte ein Prickeln über ihre Haut, am liebsten hätte sie sich umgedreht und ihn angefleht, sie zu halten und zu küssen, sie wieder an den Ort mitzunehmen, wo sie gewesen waren, bevor Aldos Anruf sie unterbrochen hatte.
Um ihren Puls zu beruhigen, fragte sie: „Wenn es also nichts mit der Erbfolge zu tun hat, dass du keine Kinder haben willst, womit dann?“
„Damit, dass ich mich kenne. Die Arbeit steht an erster Stelle in meinem Leben, Kinder müssten dahinter zurückstecken. So, wie ich hinter der Arbeit meiner Mutter immer an zweiter Stelle stand.“
Stefano hatte das Collier sicher verhakt, aber er ließ seine Hände nicht sinken. Er hatte sich ihr in einer Weise geöffnet, die sie nicht erwartet hätte. Seine Worte berührten sie tief, lösten den Wunsch aus, ihn zu trösten, und erfüllten sie gleichzeitig mit Angst, weil sie ihn trösten wollte.
Es war Giselles Schweigen, das Stefano dazu veranlasste, grimmig fortzufahren: „Aus eigener Erfahrung habe ich gelernt, dass ein Kind immer die Nummer eins auf der Liste der elterlichen Prioritäten sein sollte. Bei meinen Verpflichtungen und meiner Lebensführung kann ich nicht garantieren, dass ich da sein werde, wenn er oder sie mich braucht. Meiner Meinung nach ist es besser, gar keine Kinder zu haben, als sie dem auszusetzen. Was nun Natashas Anspielung auf die Erbfolge angeht … Aldos Titel und die Pflichten, die damit einhergehen, vor allem die Pflicht, einen Erben für den Thron zu zeugen, sind das Letzte, was ich mir wünsche.“
Er hielt inne, und dann, als würden die Worte aus ihm heraussprudeln, ohne dass er Kontrolle darüber hatte, sagte er: „Meine Eltern konnten nicht für mich da sein, als ich sie brauchte. Das werde ich der nächsten Generation nicht antun. Meine Mutter sagte mir immer, wie viel Glück ich hätte und dass ich nicht neidisch sein solle auf die anderen Kinder, die ihre Hilfe nötig hatten. Sie konnte nicht verstehen, dass ein Kind manchmal mehr
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