GK0001 - Die Nacht des Hexers
in sein Labor.
Orgow huschte zu dem Holztisch und nahm das Becherglas mit der roten Flüssigkeit.
Er reichte es Lara, die neben der toten Ann stand.
»Trink!« Orgow atmete schwer. »Trink alles!«
Lara, das Medium mit dem blutleeren Gesicht und dem langen schwarzen Haar, trank.
Zäh rann die dicke Flüssigkeit in ihren Hals. Einige Tropfen liefen an ihrem Kinn herab. Es sah aus wie Blut.
Dann war das Glas leer. Lara ließ es einfach auf den Boden fallen, wo es splitternd zerbrach.
Mit dem Medium ging eine Veränderung vor. Wieder blühte es auf. Kraftströme schienen ihren Körper zu durchpulsen. Kleine Lichter tanzten in ihren Augen.
Professor Orgow stöhne auf. Ja, er hatte es geschafft. Diesmal würde Lara genügend Kraft haben, um nicht zur einen, nein, Hunderte von Toten aufzuwecken. Noch in dieser Nacht. Es sollte die Nacht der lebenden Toten werden…
»Weck sie auf«, flüsterte Professor Orgow heiser.
Lara wandte sich der toten Ann zu. Undefinierbare Laute drangen aus ihrer Kehle. Mit den Händen führte sie kreisende Bewegungen über der Toten aus.
Laras Stimme wurde lauter, hektischer.
Gebannt hingen Orgows Augen an ihren Lippen.
Und da – Ann, sie bewegte sich! Ein Zucken lief über ihr Gesicht. Sie bewegte ihre Finger, und immer noch sprach Lara beschwörend auf sie ein.
Professor Orgow war zurückgewichen. Das Schauspiel faszinierte ihn.
Beim erstenmal war es zuviel für ihn gewesen, aber jetzt…
Ann Baxter stand auf. Wie eine Marionette. Mit seltsam verdrehtem Hals.
Lara wich vor der Toten zurück. Ihre Stimme wurde leiser, verstummte ganz.
Professor Orgow löste sich aus seiner Erstarrung. Er ging auf die Tote zu.
»Geh hinaus«, sagte er leise.
Und Ann Baxter ging.
Wie eine Schlafwandlerin fand sie den Weg zur Treppe. Sie nahm die ersten Stufen, steif, ungelenk. Ihre Arme pendelten an den Seiten herab.
»Geh weiter«, flüsterte Orgow.
Ann gehorchte. Wie eine automatische Puppe.
Lara, das Medium, war zurückgeblieben, genau wie Professor Orgow. Sie konnten Ann jetzt allein lassen…
Schon bald hatte Ann Baxter das Ende der Treppe erreicht. Oben, in der Halle, warteten Orgows Helfer. Sie hatten Kerzen angezündet, sahen die tote Ann, doch kein Muskel zuckte in ihren Gesichtern. Automatisch öffneten sie die schwere Tür.
Die Tote trat in den großen Vorhof.
Der Nachtwind pfiff um das Schloß. Das Gestrüpp rauschte. Ein blasser Mond beleuchtete die gespenstische Szene.
Ann Baxter ging weiter in das Dunkel. Ein unerklärlicher Drang trieb sie voran.
Eine Taschenlampe blitzte kurz auf.
Licht! Licht bedeutete Leben. Und Leben mußte vernichtet werden.
Ann ruckte nach links. Dort hatte sie den Lichtschein gesehen.
Ein Schatten tauchte vor ihr auf. Der Strahl einer Lampe erfaßte ihre Gestalt.
»Hallo, Ann«, flüsterte eine Stimme.
Sie gehörte John Sinclair.
Ann reagierte nicht. Unaufhaltsam ging sie weiter auf den Inspektor zu.
»Ann, was ist los?« fragte John verwundert. Er ließ jetzt alle Vorsicht fallen.
Noch ein paar Schritte, dann hatte Ann ihn erreicht.
Etwas stimmt hier nicht, dachte John.
Ann war dicht vor ihm.
John zögerte. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Scharf leuchtete der Strahl der Lampe die Journalistin an.
Und plötzlich traf es John Sinclair wie ein Peitschenhieb. Jetzt wußte er, was ihn störte. Es war unfaßbar, grauenhaft.
Ann Baxter atmete nicht mehr!
John hatte keine Zeit mehr, über dieses Phänomen nachzudenken. Zwei eiskalte Hände umklammerten seinen Hals. Die Hände drückten unbarmherzig zu, entwickelten übernatürliche Kräfte.
John Sinclair ließ die Taschenlampe auf den Boden fallen. In Bruchteilen von Sekunden erkannte er die schreckliche Wahrheit. Er mußte mit einer Toten um sein Leben kämpfen.
John Sinclair riß beide Fäuste hoch, tastete nach den Fingern der Toten und versuchte sie nach hinten zu biegen.
Er schaffte es nicht!
Die Luft wurde John Sinclair bereits knapp. Er ließ sich fallen.
Ann, die steif wie eine Klette an ihm hing, wurde mitgerissen. Sie fiel neben ihm auf den Boden. Dadurch lockerte sich ihr Griff ein wenig.
Mit letzter Kraft riß John ihre Hände von seinem Hals.
Keuchend raffte er sich auf. Ann lag noch immer auf dem Boden. Doch jetzt versuchte auch sie, auf die Füße zu kommen.
John bückte sich nach seiner Taschenlampe. Da sah er die beiden Männer. Fast lautlos hetzten sie auf ihn zu.
Ann Baxter bekam von allem nichts mit. Sie war inzwischen aufgestanden und setzte ihren
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