GK0001 - Die Nacht des Hexers
Hexer. »Hole die Toten zurück. Du bist stark genug, Lara.«
Das Medium hob den Kopf, konzentrierte sich ganz auf die Stimme ihres Meisters und blickte dann mit glänzenden Augen auf die Gräber.
Sie ging noch einige Schritte zur Seite. Tief atmete sie ein.
Dann begann sie zu sprechen. Langsam, in einer unbekannten Sprache.
Lara streckte beide Hände vor. Der Wind bauschte ihr Kleid auf.
Professor Orgow hielt den Atem an.
Unverwandt starrte er auf das Grab. Er wartete darauf, daß der Tote der feuchten, nach Verwesung riechenden Erde entstieg…
***
John Sinclair rannte wieder zurück in die Schloßhalle.
Die beiden Männer, mit denen er gekämpft hatte, lagen noch fest verschnürt auf dem Boden.
John packte einen am Kragen, zog ihn hoch und warf ihn auf den nächstbesten Stuhl.
»Nun hör mal gut zu, Freundchen«, zischte John Sinclair. »Ich habe einige Fragen an dich.«
Der vierschrötige Kerl glotzte ihn nur an.
Jetzt erst sah er, daß dieser Mann unter Hypnose stand. Verdammt, und John kannte nicht das Stichwort, um ihn aus diesem Zustand zu erlösen.
Mit dem zweiten Kerl sah es nicht anders aus.
John Sinclair zündete sich eine Zigarette an. Wo konnte er nur diesen Orgow finden? Vielleicht in Middlesbury? Möglich. John mußte es auf alle Fälle versuchen.
John Sinclair verließ das düstere Schloß und lief zu seinem Bentley, der in einem kleinen Seitenweg parkte.
Auf der Fahrt nach unten in den Ort sah er plötzlich das rotierende Licht eines Feuerwehrwagens. Der Wagen verließ Middlesbury in westlicher Richtung.
Was war passiert? Hing es eventuell mit dem unheimlichen Professor zusammen?
John Sinclair beschloß, dem Wagen zu folgen.
Das rotierende Licht wies ihm den Weg. Laut jaulte die Sirene durch die Nacht. Auf der Landstraße jagten hinter ihm auch noch andere Rettungsfahrzeuge heran. Ein Krankenwagen überholte ihn.
John Sinclair erreichte als einer der ersten die Unglücksstelle.
Das Ausmaß der Katastrophe war noch gar nicht abzusehen. Die Scheinwerferlampen der Polizisten beleuchteten ein Bild des Grauens.
Schwere Eisenbahnwagen hatten sich wie Spielzeugteile ineinander verkrallt. Menschen waren durch die zerbrochenen Fenster und aufgerissenen Türen geschleudert worden und lagen entweder stumm oder leise vor sich hin wimmernd auf dem Boden. Auch in dem Zug stöhnten noch die Verletzten.
Immer mehr Helfer trafen ein.
John Sinclair fackelte nicht lange.
Durch eine herausgerissene Zugtür gelangte er in einen der Wagen, der halb auf die Seite gekippt war.
An den Gepäcknetzen Halt suchend, schob John sich durch das Abteil.
Ein Stöhnen ließ ihn aufhorchen.
Auf einem der Sitze lag eine Frau mit ihrem Kind. Die Frau blutete am Kopf und auch ihr Arm war schwer verletzt. Dem Kind schien nichts passiert zu sein.
»Bitte, helfen Sie uns«, flehte die Frau.
»Aber sicher«, lächelte John beruhigend.
Er winkte durch eines der offenen Fenster einen Helfer herbei. Dem gab er das Kind.
Andere Männer drangen in das Abteil. Sie waren geschulte Helfer und nahmen sich der schwerverletzten Frau an.
John Sinclair verließ den Wagen. Inzwischen waren so viele Helfer angekommen, daß er sich wieder um seinen Fall kümmern konnte.
Da entdeckte er Konstabler Jones.
Der Beamte torkelte wie ein Betrunkener auf die Unglücksstelle zu.
John rannte zu ihm.
»Um Himmels willen, Jones. Was ist los?«
Der Konstabler sah ihn aus flackernden Augen an. Sein Atem ging keuchend.
»Sinclair. Ich kann’s nicht begreifen. Ich habe sie gesehen.«
»Wen?« fragte John hastig.
»Die Journalistin. Ann Baxter. Sie wollte mich erwürgen.«
»Erzählen Sie, Jones«, forderte John Sinclair.
In stockenden Worten berichtete der Konstabler von seinem Erlebnis.
»Sie glauben mir nicht, was?« fragte er zum Schluß.
»Doch, Jones. Ich glaube Ihnen«, erwiderte John ernst. »Ann Baxter, die Sie erwürgen wollte, war schon tot, bevor sie in Ihrem Wagen verbrannte.«
»Nein!« Konstabler Jones wich unwillkürlich zurück und faßte sich an die Kehle. »Dann – dann… stimmt das doch, was Ronald Winston erzählt hat. Von seiner toten Tochter. Bisher konnte ich nie so recht daran glauben.«
»Ja, es stimmt«, antwortete John Sinclair.
Jones schlug die Hände vor das Gesicht. »Ich konnte es einfach nicht fassen. Mein Gott.«
John Sinclair faßte seinen Arm. »Wir haben jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, wie alles gekommen ist. Wir müssen etwas unternehmen.«
»Und was, Mr. Sinclair?« Jones
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