GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
Wilcox drängte bewußt das Menschliche, was noch in ihr steckte, zurück. Nein, damit hatte sie abgeschlossen.
Die Stimme wurde lauter. Ganz deutlich konnte Rita sie jetzt verstehen.
Und da sah sie die weiße Frau. Sie schwebte zwischen den Bäumen, kam jetzt genau auf Rita Wilcox zu.
Das Girl blieb stehen.
Ein leichter Wind fuhr durch ihr weites Nachthemd, bauschte es auf.
Jetzt stand Lady Laduga vor ihr.
Wie schön sie war. Das weiße ebenmäßige Gesicht leuchtete in der Dunkelheit.
Rita Wilcox ging noch näher.
Lady Laduga streckte beide Arme aus, griff nach Ritas Kopf. Das Girl fieberte dem großen Augenblick entgegen. Die weiße Frau bog Ritas Kopf zurück.
Der schlanke Hals lag nun vor ihr.
Rita merkte, wie die spitzen Kanten der Zähne ihre Haut berührten. Dann folgte der Biß.
Tief drangen die Zähne in Ritas Hals. Das Girl spürte die kalten Lippen der Frau und das warme Blut, das aus den Bißwunden quoll.
Sie stöhnte auf. Glücklich.
Endlich war das geschehen, wonach sie sich so lange gesehnt hatte.
Mehr und mehr saugte die weiße Frau Rita Wilcox das Blut aus und damit den letzten Funken menschlichen Lebens, der noch in ihr steckte.
Rita fühlte sich plötzlich erschlafft und müde. Ihre Beine gaben nach. Sie fiel auf den Waldboden. Schleier legten sich über ihre Augen. Eine nie gekannte Kälte nahm von ihrem Körper Besitz.
Es war die Kälte des Todes.
Sie wollte etwas sagen, doch kein Laut drang über ihre Lippen. Spitze Fingernägel gruben sich in ihren Körper. Die weiße Frau wurde zur rasenden Bestie.
Doch das alles bekam Rita Wilcox nicht mehr mit. Das Reich der unendlichen Finsternis hatte sie aufgenommen.
***
Doc Grayson kam eine halbe Stunde später zurück.
»Na, wie geht’s unserer Patientin?« fragte er.
»Gut«, erwiderte Bill.
»Das freut mich. Die Entbindung hat auch soweit geklappt, und ich bin…«
Die weiteren Worte verschluckte der Arzt, denn sein Blick war auf den zerbrochenen Instrumentenschrank gefallen. Bill hatte die Glasscherben notdürftig zusammengefegt.
»Was ist passiert, Mr. Conolly? Ich glaube, Sie sind mir eine Erklärung schuldig.«
»Die können Sie haben, Doc. Aber setzen Sie sich erst mal hin. Was ich zu berichten habe, ist nichts für schwache Nerven.«
Mit wenigen Sätzen erklärte er dem Arzt, was vorgefallen war.
Doc Grayson schüttelte immer wieder den Kopf. »Ich kann es nicht fassen. Das ist doch unmöglich. So etwas gibt es doch nicht.«
»Leider ja«, erwiderte Bill. »Und um diesem Höllenspuk ein Ende zu bereiten, deswegen sind mein Freund John Sinclair und ich hier.«
Doc Grayson wischte sich über die schweißnasse Stirn. »Ich kann es immer noch nicht begreifen. Ich habe Medizin studiert, bin Naturwissenschaftler. Und jetzt dieses hier. Mir fehlen einfach die Worte.«
Bill wußte darauf keine Antwort. Er selbst hatte früher auch nicht an diesen Hokuspokus, wie er es nannte, geglaubt. Doch nachdem er John Sinclair kennengelernt hatte, mußte er seine Meinung revidieren. Mit Schrecken dachte Bill Conolly noch an sein letztes Abenteuer, das er mit John zusammen in Mexiko erlebt hatte. Dort war es ihnen unter Einsatz ihres eigenen Lebens gelungen, den Herrn der Toten unschädlich zu machen. Für Bill wäre es beinahe die letzte Tat überhaupt gewesen.
Doc Grayson wanderte im Raum auf und ab. »Und dieser Vampir ist entkommen?« fragte er leise.
»Ja. Ich konnte Jane Seymor nicht allein lassen.«
Der Doc atmete auf. »Was machen wir jetzt? Vampire sind Blutsauger. Sie werden noch mehr Unglück über die Menschen bringen. Wir müssen etwas tun, Mr. Conolly. Wir müssen einfach.«
»Das ist mir klar«, sagte Bill.
Der Arzt lachte hart auf. »Sicher, das ist uns allen klar. Aber haben Sie einen Vorschlag?«
»Vielleicht.«
»Lassen Sie hören.«
»Wir müssen das Übel an der Wurzel packen. In unserem Fall heißt dieses Übel das Totenhaus.«
»Wie haben Sie sich das denn vorgestellt, Mr. Conolly?«
»Packen wir die Sache mal anders an, Doc. Wieviele Männer kann man hier im Dorf innerhalb einer Stunde alarmieren?«
»Vielleicht hundert. Oder auch 150. Genau kann ich es nicht sagen.«
»20 würden reichen. Allerdings 20 mutige Männer. Männer, die nicht Tod und Teufel fürchten.«
»Das wird schwer sein. Die Leute hier sind sehr abergläubisch.«
»Dann sehe ich keine allzu großen Chancen, Doc. Sie müssen es schaffen.« Bill Conollys Stimme klang eindringlich. »Noch haben wir eine Chance. Wenn wir zögern,
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