GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
wird dieses Dorf unter die Herrschaft der Vampire geraten. Dann sind alle Menschen hier verloren.«
»Ich weiß es selbst, Mr. Conolly.«
Bill sah den Doc an. »Es kommt auf einen Versuch an. Wir müssen noch in dieser Nacht handeln.«
»Und was ist, wenn ich die Männer wirklich zusammengetrommelt habe?« fragte der Doc.
»Dann werden wir zu dem Leichenhaus fahren und es dem Erdboden gleichmachen. Wir werden es abbrennen, denn gegen Feuer sind auch Dämonen und Vampire nicht gefeit.«
»Das Haus hat Jahrhunderte überdauert, Mr. Conolly.«
»Das weiß ich auch. Aber gegen Bohrer und Spitzhacken ist es auch nicht geschützt.«
»Ich hoffe, Sie behalten recht, Mr. Conolly.«
Der Doc blickte auf seine Uhr. »Es ist gleich eins. Ich werde Alarm geben, und in einer halben Stunde versammeln wir uns im Bürgermeistersaal. Halten Sie die Daumen, daß wir Erfolg haben. Sonst weiß ich auch nicht mehr weiter.«
Doc Grayson verließ den Raum.
Bill Conolly trat ans Fenster. Er sah in die mondhelle Nacht hinaus. Seine Gedanken kreisten um John Sinclair. Wo mochte er stecken? Lebte er überhaupt noch?
Bill zündete sich eine Zigarette an. Er wandte sich um und sah zu Jane hin, die friedlich im Bett schlief. Wenigstens sie hatte er gerettet.
Bill Conolly verließ die Praxis. Er wollte noch in die kleine Pension, um sich frisch zu machen und die Kleider zu wechseln.
Als er die Straße überquerte, begann von der kleinen Kirche her die Alarmglocke zu läuten.
Die Schläge hallten durch den stillen Ort. Sie waren der Auftakt zu einem Kampf der Menschen gegen die unheimlichen Mächte der Finsternis.
***
John Sinclair behielt die Ruhe. Panik war das letzte, was er gebrauchen konnte.
Sein Gehirn arbeitete wie ein Computer. Daß die Platte nicht so einfach mit bloßen Händen zur Seite geschoben werden konnte, war ihm bei einem Versuch schon klargeworden. Also mußte es eine andere Möglichkeit zur Befreiung geben.
Die Klopfzeichen fielen ihm ein.
Der Rhythmus, mit dem das Girl in der Kapelle auf den Stein geklopft hatte.
Verzweifelt versuchte John sich zu erinnern.
Zweimal lang und dann viermal schnell hintereinander. Konnte es so gewesen sein?
Es kam auf einen Versuch an. John klopfte.
Ohne Erfolg.
Doch der Scotland Yard-Inspektor gab nicht auf. Ein nächster Versuch. Wieder nichts.
Erst beim fünftenmal klappte es. Knirschend schob sich die Platte zur Seite.
»Wer sagt’s denn«, murmelte John.
Wahrscheinlich gab es auch noch einen anderen Klopfrhythmus, damit sich die Platte wieder in ihre ursprüngliche Lage schob, aber der interessierte John nicht.
Er ließ die Öffnung frei und hielt sich diesen Fluchtweg offen.
Er wollte etwas anderes kennenlernen.
Das Leichenhaus der Lady Laduga.
Wieder machte sich John auf den Weg. Das zugespitzte Holzkreuz hatte er sich um den Hals gehängt. Ab und zu ließ er seine Taschenlampe aufblitzen.
John hatte schon viele Geheimgänge erkundet, und überall hatte es von Kriechtieren gewimmelt. Nur hier nicht. Es schien, als hätten selbst diese Kreaturen die Flucht vor den Mächten der Finsternis ergriffen.
Der Gang wurde immer schmaler und tiefer.
Bald konnte John nur noch auf allen vieren kriechen.
Der Modergeruch verstärkte sich. John spürte, daß er bald das Leichenhaus erreicht haben mußte.
Langsam ging es wieder aufwärts.
Und dann war der Gang zu Ende. Felsen und Erdmassen versperrten den Weg.
John leuchtete mit der kleinen Lampe die Decke ab.
Eine breite Öffnung gähnte ihm entgegen.
Der Inspektor klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne, schnellte vom Boden ab und faßte mit beiden Händen nach dem Rand der Öffnung.
Seine Finger fanden Halt.
Wie ein Pendel schwang John hin und her.
Er ließ sich ausschwingen, sammelte Kräfte und zog sich dann mit einem Klimmzug hoch.
John schaffte es mit Mühe. Schwer atmend lag er oben neben der Öffnung. Seine Lampe hatte er inzwischen wieder in die Hand genommen.
Langsam kam John auf die Füße.
Deutlich wurde ihm bewußt, daß er sich in dem Leichenhaus der Lady Laduga befand.
Die Vorstellung war ungeheuerlich. Er war wohl der einzige lebende Mensch, der dieses Haus nach drei Jahrhunderten betreten hatte.
Nur mit Mühe unterdrückte John seine Erregung. Er wagte kaum, die Taschenlampe einzuschalten.
Welches Grauen, welcher Schrecken würde ihn erwarten?
John gab sich einen Ruck und knipste die Lampe doch an.
Der Strahl schnitt durch die absolute Finsternis. Da er nur jeweils einen kleinen
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