GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
John ahnte es mehr, als er es sah.
Der Geruch von Fäulnis und Verwesung drang in Johns Nase.
»Ich komme, Linda«, flüsterte die Gestalt.
Die Frau begann, in die Öffnung zu steigen.
John wartete ab, bis sie verschwunden war. Dann schlich er zu dem Loch hin. Der Modergeruch nahm ihm fast den Atem. Trotzdem entschloß sich John, der Unbekannten zu folgen. Für einen Sekundenbruchteil ließ er seine Taschenlampe aufblitzen.
Etwa ein Yard unter der Öffnung befand sich schon wieder fester Boden.
John Sinclair ließ sich hinabgleiten.
Seine Zehenspitzen stießen gegen etwas Weiches, Nachgiebiges.
John riskierte es, die Lampe anzuschalten. Und in der Sekunde, in der die Lampe brannte, erkannte er die grausige Wahrheit.
Vor ihm lag Bob Elkham, der Hausmeister.
John erkannte ihn nur an der Kleidung. Elkhams Gesicht, sein Hals und ein Teil seiner Brust waren durch schreckliche Kratz- und Bißwunden zerfetzt.
John Sinclair mußte mit Gewalt ein Würgen unterdrücken.
Er stieg über den Toten hinweg und schlich weiter.
Der Gang war nicht sehr hoch. John mußte immer den Kopf einziehen. Es ging leicht bergab.
Ab und zu blieb John Sinclair stehen, um in die rabenschwarze Finsternis zu lauschen. Dann drangen die leisen Schritte der Frau an sein Ohr.
Plötzlich erkannte John in der Ferne einen hellen Fleck. Etwas flirrte in der Luft herum.
Sollte die weiße Frau…?
Der Fleck wurde größer, kristallisierte sich zu einer Gestalt heraus.
Dann hörte John die Stimme der Unbekannten. »Du bist gekommen, Linda. Endlich.«
Unendlich vorsichtig schlich John Sinclair näher.
John hörte ein qualvolles Seufzen, einen leisen Schrei und ein schmatzendes Geräusch.
Der Scotland Yard-Inspektor hielt es nicht mehr länger aus. Sein Daumen berührte den Schalter der Lampe.
Wie eine Nadel fuhr der Lichtstrahl durch die Dunkelheit, ließ mit nahezu brutaler Deutlichkeit eine grauenvolle Szene erkennen. Innerhalb von einer Sekunde registrierte John jede Einzelheit.
Er sah zwei Frauen. Eine davon kannte er. Es war Rita Wilcox, das Mädchen, das nackt auf seinem Bett gelegen hatte. Und die andere mußte Linda Carrigan sein.
Linda Carrigan, die verschwunden war und sich zu einer Bestie gewandelt hatte.
Zu einem Vampir!
Sie hatte ihre nadelspitzen Zähne in Rita Wilcox’ Hals gebohrt und trank schmatzend das Blut des jungen Mädchens.
Mit zwei, drei Sätzen überbrückte John die Entfernung.
Erst jetzt erwachten die beiden aus ihrer Erstarrung.
Blitzartig fuhren sie auseinander.
Rita Wilcox schrie gellend auf und taumelte zurück.
Anders Linda Carrigan, der Vampir.
Sie schwebte auf John Sinclair zu. Die Augen in dem bleichen Gesicht waren blutunterlaufen. Auch ihr Mund und die spitzen Zähne waren rot von frischem Menschenblut.
Die Krallenfinger ausgestreckt, kam sie auf John zu. Sie glaubte, ein neues Opfer gefunden zu haben.
John Sinclair sprang zurück, riß mit der freien Hand das Kreuz von der Brust.
Jetzt mußte es sich herausstellen, ob diese Waffe half.
John hielt das Kreuz dem Vampir direkt vors Gesicht, leuchtete es mit der Taschenlampe an.
Linda Carrigan blieb stehen. Ihr Gesicht verzog sich in einem unsagbaren Schmerz.
John ging auf sie zu.
Das Kreuz brannte fast in seiner Hand, trieb den Vampir zurück.
John Sinclair kannte keine Gnade. Er mußte die Vampirbrut ausrotten.
Der Vampir ächzte, hatte nicht mehr die Kraft, weiterzugehen.
Er fiel auf den Boden.
Breitbeinig stand John Sinclair vor diesem Monster, hielt das Kreuz über dem Gesicht des Vampirs.
Linda Carrigans Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei. Unendliche Qual spiegelte sich in ihren Gesichtszügen wider.
John sah nur eine Möglichkeit, Linda Carrigan zu retten.
Er mußte sie töten. Mußte ihr einen Pfahl durch das Herz schlagen.
John hatte vorgesorgt und das Kreuz unten zugespitzt.
Er zögerte nicht länger, sondern setzte das zugespitzte Ende auf Linda Carrigans Brust.
Dann schlug er mit dem Handballen zu.
Tief drang das Kreuz in den Körper des Vampirs.
Linda Carrigans Gesicht verzerrte sich zu einer wächsernen Totenmaske. Noch einmal stöhnte sie auf. Dann lag sie still.
Erst jetzt war Lindas Seele erlöst.
John Sinclair stand langsam auf. Als er das Kreuz aus der Brust des Vampirs zog, merkte er, wie sehr seine Finger zitterten. Zuviel war auf ihn eingestürmt.
Aber es sollte noch schlimmer für den Scotland Yard-Inspektor kommen.
Rita Wilcox fiel John wieder ein. Wo steckte sie?
John drehte sich, ließ
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