GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
Doc.
»Das hatte ich mir gedacht«, erwiderte Bill.
»Wissen Sie eine andere Möglichkeit, Mr. Conolly?«
»Ich habe so eine Ahnung.«
»Los, raus mit der Sprache!«
»John befindet sich bestimmt in dem verdammten Leichenhaus.«
»Was?« Der Doc wich erschrocken einen Schritt zurück. »Das glauben Sie doch selbst nicht. Wie soll Ihr Kollege denn dort hineingekommen sein? Soviel ich weiß, gibt es in dem Haus keinen Eingang.«
Bill zuckte die Achseln. »Warum, das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber mein Gefühl hat mich selten getäuscht. Und ich glaube auch noch, daß sich John Sinclair in höchster Lebensgefahr befindet.«
Die Männer drückten die Zigaretten aus. Bill blickte auf seine Uhr. »Die zehn Minuten sind um.«
Der Doc nickte. »Dann los.«
Als sie nach draußen kamen, hatten sich schon fast alle Männer versammelt. Sie trugen Äxte, Hacken und Schaufeln. Einige Frauen standen auch dabei. Sie bestürmten den Doc und Bill mit ängstlichen Fragen, die die beiden jedoch nur ausweichend beantworteten.
Überall in den Häusern brannten Lichter. Ihr Schein reichte aus, um die Straße fast taghell zu erleuchten.
Bill konnte die Gesichter der Männer gut erkennen. In einigen las er finstere Entschlossenheit. In anderen wiederum spiegelten sich Angst und Mißtrauen wider.
»Wo ist denn Marc Potter?« rief der Doc.
»Da hinten kommt er«, antwortete eine Frau und wies in Richtung Ortsausgang.
Tatsächlich. Dort rumpelte ein Lastwagen näher, auf dessen Ladefläche ein Kran mit einer riesigen Eisenkugel stand, die durch starke Trossen gehalten wurde.
Der Lastwagen bremste.
»Ihr könnt alle auf die Ladefläche kommen!« schrie Potter aus dem Führerhaus. »Werft eure Äxte und Schaufeln aber zuerst drauf…«
Die Männer gehorchten ohne Murren. »Und womit fahren wir?« fragte Doc Grayson den Reporter.
»Wir nehmen meinen Porsche.«
»Gut.«
»Eh, Doc«, rief Marc Potter. »Wie sollen wir denn durch den Wald kommen?«
»Nehmt den kleinen Weg. Und dann quer durchs Gelände. Was euch da im Wege steht, sind nur kleine Bäume und Buschwerk. Das kannst du mit deiner Kiste umfahren.«
»Da hin ich mal gespannt, Doc. Kommen Sie nicht mit?«
»Doch. Aber mit einem anderen Wagen. Mr. Conolly und ich fahren schon voraus.«
Marc Potter nickte und fuhr los. Die Frauen liefen noch einige Meter hinter dem Wagen her. Manche konnten ihre Tränen nicht zurückhalten.
»Kommen Sie, Doc«, sagte Bill. »Ich habe meinen Wagen vor der Praxis stehen.«
Mit eiligen Schritten setzten sich die Männer in Bewegung. Bill ging aber vorher noch mal in die Praxis und sah nach Jane Seymor. Sie schlief ruhig. Neben ihrem Bett saß Doc Graysons Haushälterin und hielt Wache.
Einigermassen beruhigt setzte sich Bill hinter das Steuer. Mit röhrendem Motor jagte der Porsche durch den stillen Ort auf die Straße, die zum Internat führte.
Schon bald überholten sie den Lastwagen. Marc Potter winkte ihnen aus dem Seitenfenster beruhigt zu.
Der Doc grinste. »Man kann sich doch auf ihn verlassen. Man muß ihn nur richtig anpacken, den Büffel.«
»Wo ist eigentlich der Konstabler?« fragte Bill.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte der Doc. »Angeblich auf einer Dienstfahrt. Wahrscheinlich hatte er aber auch nur Angst gehabt.«
Bill erwiderte nichts. Die kommenden Ereignisse beschäftigten ihn zu sehr.
Würden die Menschen es schaffen, Sieger über die Dämonen zu bleiben? Und vor allen Dingen: Was war mit John Sinclair?
***
John Sinclair wußte, daß er einen fast aussichtslosen Kampf vor sich hatte. Er wich erst einmal zurück, bis er die feuchte Wand hinter sich spürte.
Der erste Vampir sprang ihn an. Es war Istvan Laduga.
John Sinclair tauchte zur Seite weg und jagte die geballte Faust in den Leib des Monsters.
Im selben Augenblick erhielt John einen Schlag auf den Arm, und die Taschenlampe wurde ihm aus der Hand geprellt.
Sie fiel zu Boden, brannte jedoch weiter.
Zwei Krallenhände griffen nach Johns Kehle.
Der Scotland Yard-Inspektor duckte sich. Die Hände glitten ins Leere.
John Sinclair huschte zur Seite, wollte Bewegungsfreiheit bekommen, um sich das Kreuz von der Brust reißen zu können.
Da warf sich die Frau von der Seite her gegen ihn.
John konnte nicht mehr ausweichen. Gemeinsam krachten sie zu Boden.
Unglücklicherweise fiel der Inspektor auf den Rücken. Dicht über sich sah er die funkelnden Augen des Vampirs und die dolchartigen Zähne.
John Sinclair kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung.
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