GK0034 - Friedhof der Vampire
sagte sie schließlich.
»Wunderbar. Wußte doch, daß ich mich auf dich verlassen kann. So, und jetzt müssen wir uns links halten. Dort beginnt der Pfad.«
Pfad war wirklich der richtige Ausdruck für den Weg, der durch das Moor führte. Die beiden Leute mußten hintereinandergehen, um nicht in den tückischen Sumpf abzurutschen.
Das Moor lebte. Frösche quakten, und glucksende, schmatzende Geräusche drangen an Lilians und Gils Ohren.
Kein Vogel zwitscherte. Es war eine unheimliche Atmosphäre, die hier vorherrschte. Die kahlen Bäume, die wie Totengerippe aussahen, der Geruch nach verfaulten Pflanzen, und dann der Nebel, der urplötzlich gekommen war.
Vor wenigen Minuten hatte noch die Sonne geschienen, doch jetzt lag der Nebel wie eine Wand über dem Land.
»Sollen wir nicht lieber umkehren Gil?«
»Wenn wir auf dem Weg bleiben, kann uns gar nichts passieren«, erwiderte Gil Dexter und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Auch ihm war die ganze Sache nicht so recht geheuer. Aber um sein Prestige zu wahren, ging er weiter.
Seit einer Stunde waren sie schon unterwegs. Die Sonne war durch die dichte Nebelwand schon gar nicht mehr zu erkennen. Feuchtigkeit legte sich auf die Mäntel der beiden Moorwanderer und ließ die Kleidung klamm und steif werden.
Gil Dexter blieb stehen. »Wir müßten Deadwood Corner bald erreicht haben«, sagte er. »Die Dorfbewohner haben gesagt, man geht ungefähr eine Stunde.«
Lilian wischte sich über das feuchte Gesicht. »Glaubst du denn wirklich, daß Deadwood Corner bewohnt ist? Daß wir dort eine Tasse Tee oder Kaffee bekommen. Wer geht schon durch den Sumpf?«
Gil grinste verunglückt. »Ich habe dir nicht ganz die Wahrheit gesagt, Lilian. Deadwood Corner ist nicht mehr bewohnt. Wenigstens nicht von Menschen. Man erzählt sich, daß dort Vampire hausen. Und das will ich ja feststellen.«
»Vampire?« echote Lilian. »Diese schrecklichen Monster, von denen in Kinos…« Lilians Stimme brach ab. Die Frau schüttelte sich. »Ja, gibt’s die denn wirklich?«
»Das will ich ja eben feststellen«, antwortete Gil.
»Bleib hier, Gil. Ich bitte dich.« Lilian klammerte sich an ihrem Mann fest.
»Unsinn«, lachte Dexter. »Du kannst ja hier auf mich warten.«
»Nein.«
Sie gingen weiter. Schritt für Schritt durch die dicke Nebelsuppe.
Dann wurde der Weg breiter, und wenige Minuten später tauchten die Umrisse eines Hauses aus dem Nebel auf. Vor dem Haus stand ein Buggy.
»Na, wer sagt’s denn?« rief Gil Dexter. »Wir haben es geschafft.«
Lilian schaute mit ängstlichen Augen die Fassade von Deadwood Corner an. »Es ist so unheimlich hier«, flüsterte sie.
»Das wird gleich vorbei sein. Wenn wir erst in der Gaststube sitzen… Verflixt noch mal, gibt es denn hier keine Klingel oder so was Ähnliches?«
Gil stand vor der Eingangstür, und seine Augen tasteten prüfend die Fassade ab.
»Nichts zu sehen«, murmelte er.
»Klopf doch mal«, sagte Lilian.
Gil schlug gegen die Tür.
Die Schläge dröhnten durch das Haus. Nichts geschah.
»Scheint tatsächlich völlig verlassen zu sein«, meinte Gil.
Lilian schob sich an ihrem Mann vorbei und drückte auf die gußeiserne Klinke.
»Verschlossen!«
»Ist wohl nichts mit ‘ner Tasse Kaffee«, grinste Gil. »Warte mal, Lilian, ich geh’ eben um das Haus. Bin gleich wieder da.«
»Aber…«
Lilian Dexter wollte noch etwas sagen, doch da war ihr Mann schon in dem dichten Nebel verschwunden.
Lilian Dexter hatte Angst. Sie stellte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand und versuchte, die schmutziggraue Brühe mit ihren Augen zu durchdringen. Überall sah sie schon Gestalten, die nach ihr greifen wollten, um sie in den Sumpf zu ziehen, wo es kein Entrinnen mehr gab.
Plötzlich hörte Lilian Musik.
Harfenmusik!
Es war eine schwermütige Melodie. Die Töne schienen aus unendlicher Ferne zu kommen.
Lilian lauschte gebannt, preßte ihr Ohr gegen die Holzfüllung der Eingangstür.
Kein Zweifel. In dem Gasthaus spielte jemand Harfe.
Aber wer?
Ein Mensch? Sie hatten doch geklopft. Dieser Jemand hätte doch das Klopfen hören müssen.
Sollte wirklich an den Geschichten der alten Leute etwas Wahres gewesen sein?
Lilian bekam plötzlich Angst. Grenzenlose Angst.
»Gil«, rief sie. »Gil!«
Keine Antwort.
Da! Ein Schatten tauchte aus dem Nebel auf.
»Gil, da bist du ja end… Ahhhh!« Der Schatten war nicht Gil, sondern ein einäugiger Kerl, der sich mit vorgestreckten Händen auf die wehrlose Frau
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