GK0038 - Die Tochter der Hölle
Stablampe und ging neben einen Sarkophag in Deckung.
Erregtes Atmen drang an Johns Ohr.
Ein zuckender Lichtschein geisterte plötzlich durch den unheimlichen Raum.
John rührte sich nicht von der Stelle. Er atmete durch den offenen Mund, um sich nicht zu verraten.
Eine Frau hatte die Grabstätte betreten.
Eine wunderschöne Frau mit pechschwarzen Haaren und einem hellen, fast weißen Gesicht. Die Frau trug ein bis zum Boden reichendes Kleid mit tiefem Ausschnitt und eine kurze Bolerojacke.
John Sinclair hatte diese Frau noch nie gesehen. Und doch kam sie ihm sehr bekannt vor. Er hatte nämlich erst gestern das Bild einer gewissen Elizabeth Barthony gesehen.
Und diese Frau glich der Gräfin aufs Haar! John hatte das Gefühl, der Toten selbst gegenüberzustehen…
***
Noch hatte die Frau John Sinclair nicht entdeckt. Sie ging mit langsamen, fast schwankenden Schritten auf den Sarg der Elizabeth Barthony zu. Das Windlicht in ihrer rechten Hand pendelte dabei hin und her.
Die Frau strich mit der freien Hand über die polierte Marmorfläche des Sarkophagdeckels. Dabei murmelte sie ununterbrochen geheimnisvolle Worte und Formeln.
John Sinclair konnte in all dem Tun keinen Sinn erkennen. Er fragte sich immer wieder, was die Unbekannte an einem leeren Sarkophag zu suchen hatte.
Plötzlich griff die Frau unter ihre Jacke. Sie holte ein kleines Fläschchen hervor, in dem eine dunkle Flüssigkeit schwappte.
Die Frau öffnete das Fläschchen und goß die Flüssigkeit über den Sarkophag.
John vermutete, daß es sich dabei um Blut handelte.
Danach strich die Frau mit den Fingerspitzen über die Marmorfläche, verteilte das Blut und zeichnete daraus seltsame Figuren, die aber sofort wieder verliefen.
»Mein Blut zu deinem«, flüsterte die Unbekannte. »Dein Fluch ist nicht vergessen. Er wird sich jetzt erfüllen. Hier in dieser Stunde. Komm zurück, Elizabeth Barthony. Komm zurück!«
Bei den letzten Worten war die Frau über dem Sarkophag zusammengesunken. John hörte ihr erregtes Atmen und sah, wie die Schultern unter der dünnen Jacke zuckten.
John Sinclair hatte genug gesehen.
Unendlich vorsichtig verließ er sein Versteck. Auf Zehenspitzen schlich er an der Frau vorbei und gelangte ungesehen nach draußen.
Tief pumpte John die frische Luft in seine Lungen. Er warf einen Blick hinüber zu dem Schloß, dessen Zinnen im Licht der tiefstehenden Sonne rötlich schimmerten. Er hatte sich doch ziemlich lange in dieser geheimnisvollen Grabkammer aufgehalten.
John Sinclair hatte vor, noch heute abend Lord Cheldham einen Besuch abzustatten. Er wollte dem Lord einige Fragen stellen, vor allen Dingen über die alte Abtei. John hatte vor, sich als Geschichtsforscher auszugeben.
Fast unbewußt hatte er seine Schritte in Richtung der alten Abtei gelenkt.
John sah die verfallenen Mauern zwischen dem Grün der Bäume.
Er schrak regelrecht zusammen, als er hinter sich eine zischende Stimme vernahm.
»Wohin so eilig, Fremder?«
John Sinclair wandte ganz langsam den Kopf.
Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann starrte ihn an. Der Kerl hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt und wippte leicht auf den Zehenspitzen. Er hatte ein bleiches Gesicht, volles dunkles Haar und kohlrabenschwarze Augen.
»Ich warte auf eine Antwort, Mister.«
»Ich gehe spazieren«, sagte John mit entwaffnendem Lächeln.
»Ach, einfach so?«
»Ja. Ist das verboten?«
»Und ob!« zischte der Kerl. »Sie befinden sich auf Lord Cheldhams Grund und Boden. Haben Sie die Erlaubnis Seiner Lordschaft?«
»Die wollte ich mir ja gerade holen«, gab John zurück.
Er faßte das alles noch als Spaß auf.
Anders sein Gegenüber. Dessen Hände schossen plötzlich hinter dem Rücken hervor, und ehe John noch etwas unternehmen konnte, blickte er in die Mündung einer Pistole.
»Oh, ich wußte gar nicht, daß bei Lord Cheldham sofort scharf geschossen wird.«
Der Revolverheld ging erst gar nicht auf den Spott ein. »Umdrehen!« befahl er knapp.
John gehorchte.
Der brutale Schlag traf ihn völlig unvorbereitet.
Mit elementarer Wucht dröhnte der Pistolenkolben in Johns Nacken. Mit einem leisen Ächzlaut brach der Inspektor zusammen.
Der Schwarzgekleidete entwickelte eine fieberhafte Hektik. Er packte John unter den Achselhöhlen und schleifte ihn in ein nahes Gebüsch. Dabei murmelte er seltsame Worte vor sich hin. Dann holte der Mann Laub, Zweige und einige kleine Äste und deckte John Sinclair damit zu. Zufrieden betrachtete er noch einmal sein
Weitere Kostenlose Bücher