GK0038 - Die Tochter der Hölle
nicht begeistert war. Er wollte dann auf eigene Faust recherchieren und hatte Johns Warnungen kurzerhand in den Wind geschlagen.
Diese Gedanken gingen John durch den Kopf, als er durch Lord Cheldhams großzügigen Park schlich. John achtete immer darauf, in Deckung der Bäume und gepflegten Sträucher zu bleiben, denn für das, was er vorhatte, konnte er keine Zeugen brauchen.
Es war Nachmittag. Am Himmel stand eine fast weiße Sonne und schickte ihre Strahlen durch den spätsommerlichen Wald.
John Sinclair, von Natur aus mißtrauisch, wollte sich von Jim Codys Worten erst selbst überzeugen, bevor er etwas unternahm. Das hieß im Klartext: Er wollte sich die Familiengruft der Cheldhams ansehen. Hier sollten, so stand es wenigstens in der Chronik, auch die Barthonys zur letzten Ruhe gebettet worden sein. Und wenn Jim Cody nicht gelogen hatte, mußte der Sarkophag der Elizabeth Barthony leer sein, da sie ja als angebliche Hexe in der alten Abtei begraben worden war.
John hatte sich vorsorglich eine Genehmigung vom Innenministerium geben lassen, denn sollte etwas schiefgehen – man konnte ihn zum Beispiel erwischen und als Grabschänder anklagen wollen –, so war er wenigstens gedeckt.
John hatte seinen silbergrauen Bentley in einem kleinen Waldstück nahe des Schlosses versteckt. Er hoffte, daß er dort sicher war.
Die Familiengruft der Cheldhams war ein kleines Kunstwerk für sich. Sie lag eingebettet zwischen lichtem Mischwald an der Ostseite des Schlosses. Um die mit kleinen Türmchen und Erkern verzierte Gruft lief ein kunstvoll gearbeiteter, schmiedeeiserner Zaun, vor dessen Tor zwei marmorne Engel Wache hielten.
John, der in Deckung einer alten Erle stand und sich die Gruft besah, konnte nur mit dem Kopf schütteln über soviel Spielerei und unnützen Kram, mit dem die Cheldhams ihre Gruft verziert hatten.
Es war totenstill. Nur ein leiser Wind raunte in den Baumkronen. John glitt mit schnellen Schritten auf das Tor der Gruft zu.
Es war nicht abgeschlossen. Man brauchte nur an einem verzierten Knauf zu drehen, und schon schwang das Tor zurück.
John huschte durch den kleinen gepflegten Vorgarten bis zu der Eingangstür der Gruft.
Diese bestand aus dicken Holzbohlen, die mit silbernen Beschlägen verziert worden waren.
Das alte, aber gutgeölte Türschloß bereitete John keine Schwierigkeiten.
John Sinclair sah sich noch einmal um, holte seine Stablampe hervor und betrat die Gruft.
Er mußte sich bücken, um durch die Tür zu kommen.
Modrige, sauerstoffarme Luft empfing ihn.
John befand sich in einem schmalen Durchlaß, der sich nach einigen Schritten zu einem Raum erweiterte.
Fledermäuse flatterten, aufgeschreckt durch den starken Taschenlampenschein, in alle Richtungen davon. Feine Spinnweben strichen über Johns Gesicht. Staub legte sich auf seine Schleimhäute und reizte zum Niesen.
Die schweren marmornen Sarkophage standen übereinander in Nischen an der Wand. Jahrhundertealter Staub hatte sich auf den Särgen festgesetzt und ließ den Marmor stumpf und rauh aussehen. Einige Nischen waren noch leer. Hier würden bestimmt die nächsten Cheldhams oder Barthonys begraben werden.
John trat an einen Sarkophag und wischte mit der Handfläche einen Teil des Staubes zur Seite.
Auf dem Marmordeckel war ein Name eingeritzt worden.
John las ihn im Schein der Taschenlampe.
»Horatio Cheldham 1702 – 1768.«
John ging die gesamten unteren Sarkophage durch. Er las nur den Namen Cheldham.
Die Barthonys waren in den oberen Nischen bestattet worden. John mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um die Namen lesen zu können.
Der Name Elizabeth Barthony fehlte!
Also hatte Jim Cody nicht gelogen. Sie mußte in der alten Abtei begraben worden sein.
Die Familienchronik der Barthonys fiel John wieder ein. Er wußte, daß Elizabeth Barthony damals, bevor sie von einem Hexenjäger umgebracht worden war, einen finsteren Schwur getan hatte. Es hieß, daß sie irgendwann einmal wiederkommen wolle, um ihre Rache zu vollenden.
Denn soviel stand fest: Elizabeth Barthony war eine Hexe! Sie hatte sich mit dem Satan verbündet.
John spürte, wie ihn die Erregung gepackt hatte. Welch grauenvollem Rätsel war er hier auf die Spur gekommen? Sollte die Gräfin Barthony ihren finsteren Schwur wahrgemacht haben? Laura Patton schon ihr erstes Opfer gewesen sein?
Das leise Schleifen der Eingangstür riß John aus seinen Gedanken.
Jemand hatte die Grabkammer betreten.
John Sinclair löschte blitzschnell seine
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