GK0042 - Das Rätsel der gläsernen Särge
Flurklingel. Der Inspektor jumpte aus dem Bett, lief durch die Diele und guckte an der Flurtür durch den Spion.
»Aber das ist doch…«, sagte John und zog im gleichen Moment die Tür auf. Ein völlig erschöpfter Bill Conolly taumelte ihm in die Arme.
»John!« keuchte Bill. »Verdammt, John, ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Sheila, sie haben Sheila…«
»Jetzt komm erst mal rein.«
John Sinclair schleifte seinen Freund Bill in das gemütliche Wohnzimmer und setzte ihn dort in einen bequemen Sessel. Dann ging John zur Hausbar und goß zwei Gläser Whisky ein. Für Bill einen dreifachen, für sich einen normalen.
»So, nun trink erst mal.«
Dankbar nahm Bill das Glas. Er trank es in drei Schlucken leer. John sah, daß die Hände seines Freundes zitterten. Er mußte einiges durchgemacht haben. Das zeigten auch die äußerlichen Spuren. Der Anzug war an einigen Stellen zerrissen, und das Hemd war schmutzig. »Hast du ‘ne Zigarette?« fragte Bill leise.
»Aber sicher doch.«
Bill rauchte hastig. Dabei fuhr er sich immer wieder mit der freien Hand über die Stirn.
»John«, sagte er plötzlich. »Sie haben Sheila.«
»Nun mal langsam, Bill. Wer hat Sheila?«
»Ich weiß es auch nicht«, erwiderte Bill Conolly gequält. »Aber dieser Beerdigungsunternehmer. Abbot heißt er.«
John hatte das Gefühl, als würde eine Sprengbombe unter seinem Sessel liegen.
»Sag doch den Namen noch mal, Bill.«
»Abbot. William Abbot.«
»Wenn das kein Zufall ist.«
»Wieso, John? Kennst du den Kerl?«
»Erzähle ich dir später. Berichte du erst mal, wie es dir ergangen ist.« Bill packte aus. Und je länger er redete, um so ruhiger wurde er.
»Und dann bin ich zu dir gefahren, John«, sagte Bill zum Schluß.
»Das war das beste, was du tun konntest. Ich bin nämlich auch heute aufdiesen Mr. Abbot gestoßen.« Jetzt erzählte John von seinen Erlebnissen.
»Das ist ja sagenhaft«, staunte Bill Conolly. »Und du warst heute nachmittag bei dieser Sarah Toffin?«
»Ja.«
»Dann war Sheila nur zwei Straßen von dir entfernt. Was meinst du, John, ob sie noch lebt?« Bill Conollys Stimme hörte sich an wie gesprungenes Glas.
John Sinclair nickte.
»Ja, Bill, ich glaube schon, daß Sheila noch lebt.« Bill Conolly, sonst ein lebenslustiger Mensch, blickte seinen Freund gequält an.
»Das sagst du doch nur, um mich zu trösten. Nein, John, wenn dieser Abbot wirklich ein Ghoul ist, hat er Sheila schon längst getötet. Er und seine Gehilfen ernähren sich doch von Leichen. Warum übernimmt er denn kostenlos Beerdigungen? Nur damit die Leute auf dem Welford Cemetery beigesetzt werden und er besser an die Leichen heran kann.« Der Inspektor mußte zugeben, an den Worten seines Freundes war etwas dran. Trotzdem war er noch nicht überzeugt, daß Sheila Conolly tot war.
»Was sollen wir denn jetzt machen, John?«
»Ich werde diesem Abbot auf die Finger sehen, das ist doch klar.«
»Willst du sein Haus durchsuchen?«
»Nein. Ich gehe inkognito zu ihm. Er braucht gar nicht zu wissen, daß ich vom Yard bin.«
»Und ich? Was soll ich tun?«
»Du hältst dich erst mal zurück, Bill. Fahr meinetwegen aufs Land, aber überlaß den Fall mir.«
Bill Conolly schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, John, das mach’ ich nicht. Du kannst nicht verlangen, daß ich die Hände in den Schoß lege, wenn es um das Leben meiner Frau geht. Ich mische mit, John. Und wenn ich dabei selbst auf der Strecke bleibe. Ohne Sheila macht mir das Leben sowieso keinen Spaß mehr.«
John konnte seinen Freund gut verstehen, er wußte aber auch, daß Bill die Ermittlungen nur stören konnte. Denn ihn kannte man. Er war von den vier Ghouls gesehen worden.
Nach kurzer Unterhaltung über dieses Thema sah Bill ein, daß er sich diesmal zurückhalten mußte. »Aber du hältst mich auf dem laufenden?«
»Ehrensache.«
***
Nur ganz allmählich kehrte Sheila Conollys Bewußtsein wieder zurück. Sie hatte das Gefühl, aus einem langen, tiefen Schlaf zu erwachen. Sheila öffnete die Augen.
Im ersten Moment wußte sie nicht, wo sie sich befand. Sie sah nur das matte blaue Licht, das von einer Ringlampe unter der Decke abgestrahlt wurde.
»Bill?« hauchte Sheila und tastete mit ihrer Hand zur Seite. Sheilas Finger griffen ins Leere.
Jetzt kam auch die Erinnerung wieder. Überdeutlich standen die vergangenen Ereignisse vor ihrem geistigen Auge. Sheila Conolly setzte sich auf. Schwindelgefühl überkam sie. Es legte sich erst nach einigen
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