GK0042 - Das Rätsel der gläsernen Särge
Spuren hinterlassen hatte. Das Haar hatte sie blond gefärbt, und es hing strähnig bis auf ihre Schultern. Stellenweise kam die ehemals braune Naturfarbe schon wieder durch. Sarah Toffin goß sich einen kräftigen Schluck ein und sagte: »Sie kommen bestimmt wegen Ben, nicht wahr?«
»So ist es«, erwiderte John. »Und damit Sie sehen, daß ich Ihnen keinen Bären aufgebunden habe, hier ist mein Ausweis.« John griff in die Tasche und zog das Dokument hervor. Sarah Toffin winkte ab.
»Schon gut. Ist mir auch egal.« Sie zog den Kittel enger um die vollschlanke Figur und fing von allein an zu reden. »Ich weiß selbst, Inspektor, daß Ben kein Engel war, aber verdammt, was soll man machen. Durch Arbeit können Sie doch heute nicht viel verdienen. Ja, und da hat der Junge eben mal ab und zu ein krummes Ding gedreht. Was ist schon dabei? Aber eines sage ich Ihnen, Inspektor. Daß sie Ben umgelegt haben, ist eine bodenlose Schweinerei. Und mit den Diamanten hatte er auch nichts zu tun gehabt. Ich hätte das schließlich gewußt. Ben hat mir immer alles erzählt. Aber das habe ich auch schon Ihren Kollegen gesagt.«
John Sinclair interessierten die Ausführungen der Frau nur in zweiter Linie. Ihm ging es vielmehr um das Drum und Dran vor und nach der Beerdigung.
»Wer hat denn die Kosten für die Beerdigung Ihres Mannes übernommen?« wollte John wissen.
Sarah Toffins Augen leuchteten auf. »Oh, ein sehr feiner Mann, Inspektor. Ich habe keinen Penny bezahlen müssen.«
»Das ist allerhand«, stimmte John ihr zu. »Wie heißt denn dieser Wohltäter?« fragte er, trotzdem er den Namen schon längst wußte. Sarah wurde mißtrauisch.
»Was wollen Sie denn von dem? Lassen Sie Mr. Abbot ja in Ruhe. Er ist der einzige, von dem ich in meinem Leben mal etwas umsonst bekommen habe. Und wenn es, auch nur ‘ne Beerdigung war«, fügte die Frau bitter hinzu.
»So war das auch gar nicht gemeint, Mrs. Toffin. Aber mich wundert es nur, daß es einen Mann gibt, der so etwas macht. War Mr. Abbot mit Ihrem Mann befreundet?«
»Nein. Die beiden kannten sich gar nicht. Aber Ben war kein Einzelfall. Mr. Abbot hat auch schon andere aus dieser Gegend kostenlos unter die Erde gebracht. Erst neulich ist ein Nachbar gestorben. Der alte McMahon. Auch für diese Beerdigung hat Mr. Abbot nichts genommen. Er ist eben ein Wohltäter.«
John Sinclair horchte auf. »Das kommt allerdings nicht alle Tage vor.«
»Toll, nicht wahr?« Sarahs Augen glänzten.
»Und wie er meinen Mann zurechtgemacht hat. In einem gläsernen Sarg hat Ben gelegen. Ben sah so aus, als würde er nur schlafen. Er hat mich direkt angelächelt. Wirklich, Mr. Abbot ist ein Künstler.«
»Warum hat Ihr Mann denn erst in einem gläsernen Sarg gelegen, wo er hinterher doch in einem Holzsarg begraben wurde?«
»Damit ihn alle sehen konnten, Inspektor. Die ganze Nachbarschaft hat ihn bewundert. Ich sagte ja schon, Mr. Abbot ist ein Künstler.«
»Was wissen Sie denn noch so über Mr. Abbot?« fragte John.
»Eigentlich nicht viel, Inspektor. Er ist noch gar nicht so lange hier in der Gegend. Vielleicht ein paar Monate. Aber er hat einen ausgezeichneten Ruf. Manchmal, wenn ich durch die Latimer Road gehe, stehen teure Wagen vor dem Beerdigungsinstitut. Ich habe mal gehört, Mr. Abbot ist in ganz London bekannt. Aber warum interessiert Sie das alles, Inspektor? Glauben Sie, daß er etwas mit den Diamanten zu tun gehabt hat?«
John zuckte die Achseln.
»Das kann man vorher nie genau wissen. Auf jeden Fall danke ich Ihnen für das Gespräch. Ach, Mrs. Toffin, sagen Sie mir noch mal den Namen ihres Nachbarn, der vor kurzem gestorben ist.« Sarah Toffin blickte John aus großen Augen an.
»Warum wollen Sie das denn wissen?«
»Ich habe meine Gründe.«
»Also, der Mann hieß Geoff McMahon. Er war schon über 80, als er starb.« John stand auf.
»Vielen Dank, Mrs. Toffin. Sie haben mir sehr geholfen.« Drei Minuten später stand John wie der auf der Straße. Den Bentley hatte keiner angerührt. Es schien sich herumgesprochen zu haben, daß John von Scotland Yard war.
John blickte auf seine Uhr und beschloß, noch kurz beim Yard vorbeizufahren. Er wollte Geoff McMahons Exhumierung beantragen.
***
Ein schrilles Klingeln riß John Sinclair aus dem Schlaf. Fluchend fuhr der Inspektor aus dem Bett hoch, knipste die Nachttischlampe an und wollte gerade nach dem danebenstehenden Telefon greifen, als es erneut klingelte.
Verdammt, das war gar nicht das Telefon. Das war die
Weitere Kostenlose Bücher