GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
zerbrochene Flurscheibe ein Stück Pappe. Anschließend verabschiedete er sich von Marion Nelson und Kitty Jones. Den Dolch hatte er Marion nicht gezeigt.
Vielleicht führte der ihn auf die Spur des Magiers…
***
Sieben Stunden später John Sinclair saß im Büro seines Chefs. Superintendent Powell hörte aufmerksam den Ausführungen des Inspektors zu. Er unterbrach John mit keinem Wort. Nur seine Augen – verdeckt hinter dicken Brillengläsern – fixierten ihn scharf.
»So ist die Sache gelaufen, Sir«, sagte John zum Schluß.
Superintendent Powell nippte an seinem Mineralwasser, in dem er eine Tablette gegen Magengeschwüre aufgelöst hatte. Er setzte das Glas behutsam auf einen kleinen Teller und fragte:
»Haben Sie schon einen Verdacht oder eine Spur, Inspektor?«
John schüttelte den Kopf. »Wenn ich ehrlich sein soll – nein. Da wäre höchstens das Messer als Ausgangspunkt für gewisse Nachforschungen. Der Magier und der Gnom sind verschwunden.«
Superintendent Powell verzog das Gesicht. »Aber sie werden irgendwo auftauchen, Inspektor. Schließlich wollten sie eine Tournee durch England machen.«
John lächelte säuerlich. »Wie es im Augenblick aussieht, werden sie die wohl abblasen. Sie sind durch mein Eingreifen gewarnt worden.«
»Also ist auch der berühmte Geistertöter mit seinem Latein am Ende«, meinte Superintendent Powell ironisch.
»Das steht noch nicht fest«, erwiderte John. »Immerhin haben wir den Namen des Magiers. Ich werde ein wenig in der Vergangenheit forschen. Doch zuvor besuche ich den Agenten, der die Tournee gemanagt hat. Schließlich gibt es Verträge, die uns vielleicht einen Hinweis geben können.«
»Versuchen Sie Ihr Glück, Inspektor.«
Damit war John entlassen. Er ließ seine Beziehungen spielen und wußte eine Viertelstunde später den Namen des Agenten.
Der Mann hieß Harold Pinter.
Sein Büro hatte er in der Carnaby Street.
John fuhr auf der Stelle hin. Natürlich bekam er keinen Parkplatz und stellte deshalb seinen Bentley neben einem Hydranten ab.
Sofort kam ein Bobby mit gezücktem Notizbuch angerannt. John wies sich aus und erklärte die Lage.
Der Bobby gab nach.
Der Vormittag war kaum angebrochen, und doch herrschte in der Carnaby Street schon reger Verkehr. Vor allen Dingen Touristen waren es, die in die kleinen Läden und Boutiquen strömten und die Sachen zu überhöhten Preisen kauften.
Harold Pinter hatte sein Büro direkt über einem Souvenirladen. John ging durch den nach Bohnerwachs riechenden Hausflur und stand wenig später vor einer mattglänzenden Mahagonitür.
»Harold Pinter – Agent«, stand auf einem Messingschild. John drückte auf den Klingelknopf.
Im Innern der Wohnung rasselte eine Schelle. Aber niemand kam, um zu öffnen.
Seltsam, dachte der Inspektor.
Er drückte mit der Hand gegen die Tür – und sie schwang auf.
John betrat einen Korridor, dessen Wände mit Künstlerfotos tapeziert waren. Überall hingen nackte und halbnackte Mädchen in verführerischen Posen.
»Wartezimmer«, las John auf einer Tür.
Kurz entschlossen ging er hinein.
Die beiden Personen, die in zwei Cocktailsesseln saßen und in irgendwelchen Magazinen blätterten, waren so verschieden wie Tag und Nacht.
Sie sahen überrascht auf, als John eintrat.
Die eine hatte ihre besten Jahre schon hinter sich. Ihre Haare waren rot gefärbt, und das Gesicht bestand fast nur noch aus Schminke.
»Mr. Pinter«, säuselte die Rothaarige und schob ihre beachtliche Oberweite in die richtige Stellung.
»Nein, ich bin nicht Mr. Pinter«, entgegnete John schnell.
»Ach so.«
Enttäuscht setzte sich die Künstlerin wieder hin.
Durch Johns Antwort war die andere Type erst gar nicht dazu gekommen, einzugreifen. Und das war auch besser so. Dem Knaben sah man das andere Ufer förmlich an. Hellblond gefärbte Haare, dunkle Glubschaugen und nachgezogene Wimpern.
»Wissen Sie, wann Mr. Pinter kommt«, wandte sich John an die Rothaarige.
»Keine Ahnung. Wir waren für heute bestellt. Aber bis jetzt hat er sich noch nicht sehen lassen. Der liegt bestimmt wieder mit irgendeiner Mieze im Bett.«
»War die Tür offen, als sie kamen?«
»Ja, sonst säßen wir nicht hier.«
»Ist auch wieder wahr, schöne Rose«, antwortete John lächelnd.
Der Roten blieb vor Überraschung der Mund offenstehen. Schöne Rose hatte bestimmt noch niemand zu ihr gesagt.
John verließ das Wartezimmer. Gegenüber befand sich die Tür zu Harold Pinters Büro. Sie war abgeschlossen.
Ein
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