GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
angekündigt.
Er brauchte genau 90 Minuten für die Strecke von London nach Dover. Pünktlich um 17 Uhr bog er in den Park, der das Institut umgab, ein.
Die Reifen des Bentley schnurrten über gepflegte Kieswege bis zu dem wuchtigen zweistöckigen Gebäude, welches das Institut beherbergte.
John Sinclair kannte Professor Lowell von Zeitungsfotos her, und deshalb wußte er auch, daß der Mann, der an einer sorgfältig gestutzten Hecke schnitt, der bekannte Wissenschaftler war.
John parkte seinen Bentley vor dem Institut und stieg aus.
Professor Lowell hatte sich umgewandt und sah dem Inspektor interessiert entgegen. Er begrüßte John mit einem herzlichen Händedruck. »Willkommen, Inspektor«, sagte er.
Der Mann war John sofort sympathisch. Er war mittelgroß, trug sein Haar kurz geschnitten und hatte ein sonnenbraunes Gesicht mit unzähligen kleinen Fältchen darin. Professor Lowell trug eine braune Hose, ein weißes Hemd und hatte sich eine Strickjacke übergezogen.
Die beiden Männer gingen ins Haus und dann direkt in die Bibliothek.
Die großen Regale in dem Raum waren bis zur Decke gebaut und vollgestopft mit Büchern. Auf einem antiken Schreibtisch stand eine kostbare Lampe, die einen warmen Lichtschein verbreitete.
»Möchten Sie etwas trinken, Inspektor? Ich habe einen sehr guten französischen Kognak im Haus.«
»Da sage ich nicht nein.«
Der Professor holte zwei Schwenker und die Flasche aus dem Schreibtisch.
Die Männer prosteten sich zu.
»Wirklich, ein ausgezeichneter Stoff«, lobte John.
Der Professor lächelte geschmeichelt. »Tja, wer sich mit antiken Funden befaßt, sollte auch einen alten Kognak in Ehren halten. So, genug der Vorrede, Inspektor. Worum geht es Ihnen, oder wobei kann ich Ihnen helfen?«
John Sinclair sah Professor Lowell ernst an. »Ich möchte Sie zuvor bitten, über das, was hier geredet wird, Stillschweigen zu bewahren. Wenn ein Wort an die Öffentlichkeit gelangt, kann es zu einer Panik kommen.«
»Das ist selbstverständlich«, erwiderte der Wissenschaftler.
John nahm kein Blatt vor den Mund. Er berichtete von Anfang an, was geschehen war.
Professor Lowell unterbrach ihn mit keinem Wort. Er nickte nur hin und wieder ein paarmal.
»Kann ich den Dolch einmal sehen, Inspektor?« fragte er schließlich.
»Natürlich, hier ist er.«
John griff in die Tasche und holte die Waffe hervor.
Der Professor nahm sie in die Hand, ging damit zur Lampe und betrachtete sich den Dolche genauer.
»Ein selten kostbares Stück«, murmelte er. »Allein die Verarbeitung des Griffes ist eine künstlerische Meisterleistung.«
Professor Lowell nahm vom Schreibtisch eine Lupe und hielt sie dicht über den Griff.
»Seltsam«, murmelte er, »da sind Zeichen eingraviert. Der Text ist französisch. Aber ein sehr altes Französisch.«
»Können Sie es übersetzen?« fragte John.
»Ich werde es auf jeden Fall versuchen.«
Der Professor setzte sich an seinen Schreibtisch und nahm Papier und Bleistift. Es dauerte einige Minuten, bis er den Text fertig hatte. Dann reichte er John das Blatt Papier.
»So ungefähr lautet die Übersetzung.« Der Inspektor las die Worte halblaut vor:
»Der Diener des Magiers wird mit diesem Dolch die Rache vollenden.«
Nachdenklich runzelte John die Stirn. Er wiederholte den Satz halblaut.
Professor Lowell blickte John gespannt an. »Nun, kommen Sie der Sache näher?«
»Wenn ich ehrlich sein soll – nein.«
»Wissen Sie denn, wer mit diesem Magier gemeint ist?« fragte der Wissenschaftler.
»Ja, der Kerl nennt sich Sourette.«
»Sourette«, sagte Professor Lowell nachdenklich, »klingt französisch, und der Dolch ist meiner Schätzung nach 300 bis 400 Jahre alt. Aus diesen Angaben läßt sich was machen. Warten Sie, Inspektor, ich glaube, ich kann Ihnen helfen.«
Der Wissenschaftler ging auf ein Regal zu, suchte eine Zeitlang die Buchrücken ab und griff dann nach einem alten Wälzer.
»Die Geschichte Nordfrankreichs, wie das Volk sie kennt«, sagte er, »mehr ein Legendenbuch als eine historische Aufzählung.«
Professor Lowell blätterte in dem Buch. Die Seiten waren teilweise vergilbt und klebten aneinander.
Doch der Wissenschaftler fand, wonach er suchte.
»Der Name Sourette taucht im Zusammenhang mit dem kleinen französischen Ort Beaumont auf. Hier hatte vor ungefähr 300 Jahren ein Magier mit gleichem Namen gelebt. Der Geschichte nach soll er dort lange Unheil angerichtet haben, bis die Menschen ihn ermordet hatten. Dies alles war in
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