GK0077 - Der Blutgraf
heute…
Graf Tomasos Gedanken stoppten.
Er hatte Schritte gehört. Schritte, die in seine Richtung kamen. Überlaut dröhnten sie in den empfindlichen Ohren des Vampirs.
Blitzschnell sah sich der Untote nach einem Versteck um. Der Matrose, oder wer immer es war, durfte ihn nicht so schnell bemerken.
Die Ladeklappe! Sie schien ihm am besten für sein Vorhaben geeignet. Hüfthoch ragte sie aus den normalen Decksplanken hervor.
Der Vampir duckte sich, ging auf alle viere nieder.
Die Schritte wurden lauter. Der Mann schien gute Laune zu haben, denn er pfiff ein Lied vor sich hin.
Graf Tomaso lächelte bösartig. Er zog seine Oberlippe hoch. Spitz traten die beiden dolchartigen Zähne hervor.
Noch kauerte der Untote in seiner Deckung.
Das Opfer war ahnungslos.
Plötzlich blieb der Mann stehen. Er kramte in seiner Jackentasche und suchte nach Zigaretten. Graf Tomaso verkrampfte sich. Wenn der Mann jetzt wegging, wenn…
Ein Zündholz flammte auf, beleuchtete für Sekunden das wettergegerbte Gesicht des Seemanns.
Der Matrose stieß den würzigen Rauch durch die Nase aus, vergrub beide Hände in seine Hosentaschen und schlenderte mit der Zigarette im Mundwinkel weiter.
Noch zwei Schritte.
Graf Tomaso spannte die Muskeln.
Noch einen Schritt.
Jetzt!
Wie ein Raubtier sprang der Untote den Matrosen an. Der Mann kam zu keiner Gegenwehr, wußte überhaupt nicht, was mit ihm geschah.
Zwei Klauenhände umspannten wie Stahlklammern seinen Hals, drückten ihm gnadenlos die Luft ab.
Mehr als ein Röcheln drang nicht aus der Kehle des Gepeinigten.
Langsam erlahmte seine Kraft. Schwindel erfaßte ihn.
Da ließen die würgenden Hände plötzlich los. Doch einen Augenblick später schmetterte ihn ein gnadenloser Hieb auf die Planken.
Der Matrose war sofort bewußtlos.
Der Untote hatte freie Bahn.
Ein kurzer Blick zeigte ihm, daß dieser Vorfall von niemandem beobachtet worden war.
Graf Tomaso zog sein Opfer in den Schatten der Ladeluke und drehte es auf den Rücken.
Mit einem Ruck fetzte er dem Mann das Hemd unter der Jacke auf.
Jetzt lag der Hals vor ihm.
Mit einer nie gekannten Sucht nach Blut stürzte sich der Vampir über sein Opfer, grub die spitzen Zähne in die Halsschlagader.
Erst nach Minuten ließ er von ihm ab.
Als der Vampir sich aufrichtete, war der untere Teil seines Gesichtes blutverschmiert. Er bot einen gräßlichen Anblick.
Doch sein Hunger war gestillt. Wenigstens vorläufig. Frische Kräfte kehrten zurück. Kräfte, die er brauchte.
Schnell schleifte der Vampir sein Opfer bis zur Reling. Mit Leichtigkeit hob er den Mann hoch und warf ihn über Bord.
Klatschend schlug der Körper ins Wasser.
Geduckt huschte der Untote über das Deck. Jetzt mußte er sich ein Versteck suchen. Er hatte an eine Kabine gedacht, die von einer alleinstehenden Person bewohnt wurde.
Niemand sah Graf Tomaso, als er nach mittschiffs ging, dorthin, wo die Kabinen lagen. Er nahm nicht die erstbeste, sondern suchte sorgfältig unter den Einzelkabinen aus.
Nummer acht, die schien ihm geeignet.
Graf Tomaso merkte sich die Zahl und schlich dann wieder hinauf auf Deck, um sich in einem Rettungsboot zu verstecken, bis das Schiff auf hoher See war.
Die Kabine, die sich der Vampir ausgesucht hatte, war von einer Frau gemietet worden.
Von Susan Miller…
***
Seymour Destry konnte nicht schlafen. Immer wieder mußte er an den letzten Fund denken.
Sie würden einen echten Vampir mit in die Staaten bringen. Wenn das keine Sensation war!
Unruhig wälzte sich Destry in seinem viel zu engen Bett herum. Das Zimmer, das er in einem billigen Hotel in der Amsterdamer Altstadt gemietet hatte, war nicht viel größer als eine Sardinenbüchse. Nur gab es in einer Sardinenbüchse kein Bett und keinen Kleiderschrank.
Seymour Destry stand auf. Automatisch tastete er nach seinen Zigaretten, zündete sich ein Stäbchen an.
Dann ging er ans Fenster und sah hinaus in die Nacht. Lichtreklamen zuckten über den Himmel. Autohupen drang an seine Ohren. Irgendwo johlten Betrunkene. Verdammt, hier war wirklich kein angenehmes Wohnen.
Destry drückte seine Zigarette aus und verließ das kleine Zimmer.
Der Flur war eng und muffig. Zimmertür reihte sich an Zimmertür. Hinter vielen hörte er das Schnarchen der Gäste.
Susan Miller schlief zwei Zimmer weiter.
Vor ihrer Tür blieb Destry stehen. Er überlegte einen Moment, sah, daß ein schmaler Lichtschein durch das Schlüsselloch fiel und klopfte.
»Wer ist da?«
Susans Stimme klang
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