GK0085 - Amoklauf der Mumie
gefallen lassen. Cornelius bückte sich, umfaßte das Tuch. Mit einer gekonnten Bewegung zog er es zur Seite.
Eine längliche, graugrüne Kiste wurde sichtbar. Professor Cornelius erhob sich. Seine Augen glänzten fanatisch, als er rief:
»Jetzt meine Damen und Herren, erhalten Sie den Beweis. An Chor Amon hat gelebt. Ich werde seine Mumie zur Untersuchung freigeben.«
Sekundenlang geisterte ein Raunen durch den Saal, das aber sofort verstummte, als Cornelius sich bückte und die Kiste auf eine schiefe Ebene stellte, so daß jeder, wenn die Kiste geöffnet war, hineinsehen konnte. Cornelius schob den Schlüssel in das Schloß. Ein leises Knacken. Das Schloß war offen. Der Professor faßte den Deckel mit beiden Händen. Unendlich langsam hob er ihn hoch.
Die Zuhörer waren aufgestanden. Niemand wollte sich etwas entgehen lassen. Jetzt war es soweit.
Mit einem letzten Ruck klappte der Deckel zurück. Hunderte von Augenpaaren starrten auf die offene Kiste – und…
Ein gellender Schrei durchbrach die Stille. Tessa Mallay hatte ihn ausgestoßen. Es lag keine Mumie in der Kiste, sondern der blutüberströmte Leichnam des Museumswärters.
***
Bill Conolly reagierte als erster. Während die anderen noch stocksteif auf ihren Plätzen saßen oder standen, rannte er zu Tessa Mallay und konnte sie gerade noch auffangen, ehe sie von ihrem Stuhl rutschte. Sekunden später brach der Tumult los.
»Sie dreckiger Scharlatan!« brüllte eine Stimme. »Wollen Sie uns diese Leiche als Mumie präsentieren? Vielleicht sind Sie sogar der Mörder!«
»Mörder! Mörder!« Alles schrie durcheinander.
Mit einem Sprung war Professor Cornelius am Mikrophon. »Aber, meine Herren!« rief er, »es ist alles eine Verwechs…«
Cornelius wurde überschrieen. Die Saaltür öffnete sich. »Wir werden die Polizei holen!« Die Sätze wurden Cornelius ins Gesicht geschleudert. Leichenblaß stand der Professor vor dem Mikrophon.
Aus seinem Mund kam nur ein heiseres Krächzen. Man sah ihm an, daß er mit den Nerven fertig war. Bill Conolly behielt die Übersicht. Kurzerhand warf er sich Tessa Mallay über die Schulter und kämpfte sich in Richtung Ausgang durch. Gedankenfetzen schossen Bill durch den Kopf, formierten sich zu einer Idee. Tessa Mallay war in Ohnmacht gefallen. Für eine Frau nichts Besonderes. Aber Tessa hatte die gefährliche Expedition mitgemacht. Sie selbst war in dem Grabmal gewesen, hatte die Mumie gesehen und dann diese Reaktion. Nein, das mußte tiefere Gründe haben, davon war Bill überzeugt. So schnell es ging, lief Bill mit der bewußtlosen Tessa durch die Gänge. Schließlich erreichte er den Ausgang. Zum Glück stand sein Porsche nur ein paar Schritte weiter. Überall brummten Motoren auf. Nahe zu fluchtartig verließen die Gäste das Museumsgelände. Bill Conolly verfrachtete Tessa nach hinten auf den Notsitz. Er selbst saß kaum hinter dem Lenkrad, als er die ersten Polizeiwagen sah. Sogar der hohe Kastenwagen der Mordkommission war dabei. Die Kameraden werden nicht viel finden, dachte Bill. Und sämtliche Gäste verhören, war nicht drin. Wenigstens jetzt nicht. Das würde Zeit in Anspruch nehmen. Sicher ließ sich auch anhand der Liste feststellen, wer da war. Bill wich den Polizeiwagen aus und erreichte die linke Einfahrt zur Cromwell Road, einer Straße, die in der Verlängerung zum Piccadilly Circus führt. Bill Conolly wollte Tessa nicht in ein Krankenhaus und auch nicht zur Polizei bringen. Er hatte eine andere Idee. Wo war die Frau besser aufgehoben als bei ihm zu Hause. Dort konnte sich auch Sheila um die junge Studentin kümmern. Während der Fahrt kam Tessa wieder zu sich. Erschreckt richtete sie sich auf. Bill, der sie im Innenspiegel beobachtete, sagte sofort: »Bleiben Sie ganz ruhig, Tessa. Ich werde Sie in Sicherheit bringen.«
Tessas Augen wurden groß. »Was ist geschehen?« flüsterte sie tonlos. In der gleichen Sekunde fiel es ihr wieder ein.
»Mein Gott, die Leiche«, hauchte sie.
»Ich werde Ihnen alles erklären, wenn wir bei mir sind«, sagte Bill.
»Bei Ihnen?«
»Ja. Ich habe Ihnen doch schon erzählt, daß ich verheiratet bin. Meine Frau wird sich um Sie kümmern. Glauben Sie mir, es ist für Sie das beste in ihrer jetzigen Situation.«
»Was soll das heißen?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen. Die Polizei wird anfangen, Nachforschungen anzustellen. Und da stehen Sie unmittelbar im Brennpunkt.«
»Weshalb bringen Sie mich denn weg? Soviel ich weiß, machen Sie sich dadurch
Weitere Kostenlose Bücher