GK0085 - Amoklauf der Mumie
Sie, Tessa! Ich darf Sie doch so nennen, oder?«
»Meinetwegen. Ich hätte gern einen Martini.«
»Gut. Und für mich einen Whisky«, bestellte Bill bei dem Keeper. Sie tranken, und nachdem, die Zigaretten brannten, kam Bill zum Thema.
»Tessa, ich möchte von Ihnen wissen, was Sie so erlebt haben. Ich meine, erzählen Sie von Ihren Reiseeindrücken, denn daß die Expedition nicht ganz ungefährlich war, beweist ja der Tod Ihres Kollegen Phil Lester.«
Als Bill den Namen erwähnte, zuckte Tessa zusammen. Der Reporter bemerkte es wohl, sagte jedoch nichts.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte Tessa. »Mein Gott, die Reise war keine Spazierfahrt. Allein die Hitze und das Gelände machten uns Mühe, aber wir haben es ja geschafft.«
»Das ja«, meinte Bill. »Nur, soviel mir bekannt ist, haben doch was weiß ich wie viele Leute nach der geheimnisvollen Grabstätte des An Chor Amon gesucht. Wie ist ausgerechnet Professor Cornelius darauf gekommen?«
»Da müssen Sie ihn schon selber fragen. Ich war nur seine Begleiterin und wußte so gut wie nichts.«
»Haben Sie die Mumie gesehen?« wechselte Bill das Thema.
»Ja.«
»Und? Haben Sie Angst gehabt?«
»Wovor?«
»Daß die Mumie wieder zum Leben erwachen könnte. Es gibt Berichte, die dies andeuten.«
Tessa wurde blaß. Ihre Zunge huschte aufgeregt über die Lippen. Ruckartig wandte sie den Kopf.
»Ich muß jetzt gehen, Mr. Conolly. Entschuldigen Sie.«
Tessa rutschte vom Barhocker. Bill drehte sich um und faßte nach ihrem Arm.
»Ist noch etwas, Mister Conolly?« Tessas Stimme klang eisig.
»Ja, Tessa. Sollten Sie jemals in Schwierigkeiten geraten, wenden Sie sich an mich. Ich werde immer für Sie zu sprechen sein.«
Tessa öffnete den Mund. Im ersten Moment sah es so aus, als wolle sie irgend etwas sagen, doch dann ließ sie es bleiben. Mit hastigen Schritten lief sie auf die Eingangstür des Vortragssaales zu.
Bill trank seinen Whisky aus, während er der jungen Studentin mit gemischten Gefühlen nachblickte. Hier stimmte etwas nicht, das spürte er genau. Sollte an dieser Sage doch etwas dran sein? Man hatte vor einigen Jahren Tafeln gefunden, auf denen die Geschichte des An Chor Amon gestanden hatte. Dieser relativ unbekannte König mußte in den Jahren seiner Regentschaft mit unbeschreiblich grausamen Methoden sein Volk unterdrückt haben. Bis die Priester sich gegen den König erhoben hatten. Er wurde entmachtet und bei lebendigem Leibe mumifiziert. Außerdem wurde ihm die Zunge herausgeschnitten. Und jeder, der einmal das Grab des An Chor Amon betreten würde, bekam den Fluch des Königs zu spüren. So stand es wenigstens geschrieben. Wenn auch nur die Hälfte glaubhaft war, so reichte sie jedoch aus, um bei Bill Conolly dieses ungute Gefühl zu erwecken. Bill sah auf seine Uhr. Professor Cornelius redete jetzt schon über eine Stunde. Bill beschloß, sich den Rest des Vertrages anzuhören. Die Gänge waren menschenleer. Alles drängte sich in dem Vortragssaal.
Man war gierig auf Informationen aus einer längst vergessenen Welt. Bill zog leise die schwere Doppeltür auf. Sofort nahmen ihn zwei Ordner in die Zange.
»Ihre Karte?«
Bill zeigte sie. Man ließ ihn gehen. Natürlich war sein Platz längst besetzt. Aber das kümmerte den Reporter nicht. Er schob sich den Gang entlang und bekam schließlich einen Platz in Höhe der zweiten Reihe. Tessa Mallay entdeckte er ganz vorn. Mit unbewegtem Gesicht sah sie zum Professor auf dem Rednerpult hoch. Cornelius war in seinem Element. Er redete von einer Sternstunde der Wissenschaft und vergaß auch nicht, sich selbst gebührend zu feiern. Der trägt verdammt dick auf, dachte Bill. Die Zuhörer lauschten atemlos seinem Bericht. Auf manchen Gesichtern breitete sich Skepsis aus, doch die meisten konnte Cornelius mit seiner Rede überzeugen. Schließlich machte er eine kurze Pause und trank Wasser.
Dann drehte er sich nach links und streckte die Hand aus. »Diese Kiste hier«, rief er enthusiastisch, »beinhaltet den Beweis meiner Behauptungen. Die Mumie des Königs An Chor Amon. Auch die letzten Zweifler werden in einigen Minuten überzeugt sein. Dieser Tag wird in die Annalen der Wissenschaft eingehen.«
Cornelius trat die beiden Stufen herunter und stellte sich neben die Kiste. Sie war mit einem schwarzen Tuch abgedeckt. Kameraverschlüsse begannen zu klicken. Blitzlichter flammten auf. Stille hatte sich über den Saal gelegt. Irgend jemand hüstelte. Er mußte sich vorwurfsvolle Bücke
Weitere Kostenlose Bücher