GK0098 - Bruderschaft des Satans
zurück.
Lefèvre kam endlich dazu, das Glas mit Wasser zu füllen. Er hielt es Muller an die Lippen.
Sein Assistent begann unbewußt zu schlucken. Schon wenig später schlug er die Augen auf. Sein Blick war noch immer von dem erlebten Grauen gezeichnet.
»Inspektor!« ächzte er. »Ich…«
»Bleiben Sie liegen, Junge«, sagte der fast doppelt so alte Lefèvre väterlich und flößte seinem Assistenten wieder einen Schluck Wasser ein.
Muller tastete nach seinem Hals und verzog das Gesicht. Dann krächzte er: »Wenn ich Ihnen erzähle, was mir passiert ist, werden Sie mich für total übergeschnappt halten.«
Lefèvre schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht, Muller…«
***
Pierre Saval hielt John Sinclair am Arm fest. »Hören Sie nichts, Inspektor?« flüsterte er.
John schüttelte den Kopf, blieb stehen und spitzte die Ohren.
Aber da war nur das Raunen des Windes, der durch das Blattwerk der Bäume strich. Oft rieben die Blätter gegeneinander.
Dann gab es raschelnde Geräusche.
John nickte dem jungen Franzosen zu. »Kommen Sie, Pierre, wir gehen weiter.« John teilte die Zweige eines Gebüsches. »Und verlieren Sie nur nicht die Nerven.«
»Nein, nein. Keine Angst, Inspektor.«
John hörte an Pierres Stimme, wie nervös der Bürgermeister eigentlich war. Er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, Pierre zurückzulassen, dann aber diese Idee wieder verworfen.
Momentan befanden sie sich in einem dichten Waldgebiet.
Jahrzehntelang hatte hier die Natur ungestört wachsen können.
Es gab keinen Weg, nicht einmal einen Wildwechsel. Nur dichtes, sperriges Unterholz, das manchmal so ineinander verfilzt war, daß kein Durchkommen möglich war. Die Männer mußten sich dann jedesmal einen anderen Weg suchen.
Den Wagen hatten sie auf einem Feldweg einigermaßen gut getarnt stehen gelassen. Zu Fuß waren sie dann weitergegangen.
John kam sich manchmal vor wie ein Dschungelkämpfer. Nur war der nächtliche Dschungel erfüllt von Hunderten von Tierstimmen. Doch hier war nichts. Es schien, als fürchte sich selbst die Tierwelt vor den Dämonen.
John hatte seinem Koffer einige Dämonenbanner entnommen.
Unter anderem befand sich auch ein silberner Drudenfuß darunter. John hatte ihn erst vor drei Tagen von seinem Freund Mandra Korab geschickt bekommen. Mandra Korab war Inder und kämpfte genau wie John Sinclair gegen die Mächte der Finsternis. Vor nicht allzu langer Zeit hatten die beiden gemeinsam ein gefährliches Abenteuer auf dem indischen Subkontinent überstanden.
Der Drudenfuß in Johns Innentasche fühlte sich warm an. Er schien förmlich zu leben.
Die Männer drangen weiter vor. Die starken Strahlen der Taschenlampe rissen wenigstens die gröbsten Hindernisse aus der Dunkelheit.
Immer dichter wurde das Unterholz, und John hatte plötzlich das Gefühl, daß sie bald am Ziel waren.
Tatsächlich.
John merkte, wie es bergauf ging. Soviel er wußte, lag die Kapelle auf einem Hügel.
Ein dichter Buschgürtel schützte sie vor neugierigen Blicken.
An den Zweigen der Sträucher zogen sich die beiden Männer hoch.
Dann lag die Kapelle vor ihnen.
Es war eine Insel, mitten in dem verfilzten Unterholz. Ein voller Mond stand am Himmel und ließ die Umrisse der Kapelle klar und deutlich – wie bei einem Scherenschnitt – erkennen.
Für einige Augenblicke blieben die Männer stehen.
»Das ist sie also«, raunte Pierre Saval und konnte nicht vermeiden, daß ihm eine Gänsehaut über den Rücken rieselte.
Der Inspektor nickte. Er hatte die Augen leicht zusammengekniffen und ließ die unheimliche Atmosphäre auf sich einwirken.
Totenstill war es. Nicht ein Lüftchen regte sich. Johns Blick wanderte an der Vorderfront der Kapelle hoch. Sie war glatt und, wie es aussah, aus dicken Steinen erbaut. Eine stabile Holztür verwehrte den Eingang.
Doch etwas war seltsam.
Rechts und links der Tür – auf zwei Sockeln – standen Steinfiguren, wie sie John in dieser Art noch nie gesehen hatte.
Es waren Ungeheuer, Monster.
Das rechte sah aus wie eine asiatische Göttin. Sechs Arme standen wie Spinnenbeine vom Körper ab. Der Kopf war glatt und kahl. Ein Gesicht gab es nicht.
Das andere Monster erinnerte an einen Vogel mit zwei langen Hälsen. Scharf und spitz stachen die langen Schnäbel hervor.
Auch Pierre hatte die Monster gesehen. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er unsicher.
»Es sind die Wächter der Kapelle«, erwiderte John. »Wesen, wie sie nur der Satan zeugen kann.«
Pierre
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