GK0117 - Wenn der Werwolf heult
Feuer loderte auf der Lichtung. Und mitten in den Flammen stand die Werwölfin.«
»Hatte sie rotes Haar oder einen roten Pelz?« fragte John gepreßt. »Ja.«
»Dann ist es Vivian Delano«, flüsterte der Oberinspektor rauh. Der Pfarrer nickte. »Sie war das Kind, das damals gezeugt worden ist. Die Natur hat ein grausames Spiel getrieben. Und der Wille des Satans hat diese Frau mit Dr. Cazalis zusammengeführt.«
»Dabei bin ich noch gar nicht sicher, ob Cazalis etwas von dem Treiben gewußt hat«, meinte John.
»Es waren nur Männer auf der Lichtung«, sagte der Pfarrer.
»Ich habe gesehen, wie sie sich zurückverwandelten. Ich war wie gelähmt und konnte nur noch beten.«
John schüttelte immer wieder den Kopf. Unglaubhaft war das, was hier geschehen war. Erst der verbrecherische Arzt, der ein Serum entwickelt hatte, und dann eine Frau halb Mensch halb Tier. Eine grausame Ironie des Schicksals.
Dr. Vivian Delano! John hatte geahnt, daß mit dieser Frau einiges nicht stimmte. Aber daß sie die Anführerin war…
Er mußte sie töten!
Leises Schluchzen schreckte ihn aus seinen Gedanken. John wandte den Kopf und sah Wanda Strom, die ihr Gesicht in beide Hände vergraben hatte.
Der Pfarrer trat zu der Frau und legte ihr behutsam die Hand auf den Kopf.
»Keine Angst, es wird schon alles gut werden.«
»Und Ben? Wenn ihm was passiert? Ich würde mir ein Leben lang Vorwürfe machen, daß ich ihn nicht zurückgehalten habe.«
Der Pfarrer hatte Mühe, die weinende Frau zu beruhigen. John Sinclair brannte die Zeit auf den Nägeln. Noch eine knappe halbe Stunde bis Mitternacht.
Er wandte sich an den Pfarrer. »Können Sie mir den Weg beschreiben?«
Der Pfarrer blickte John erstaunt an. »Was heißt beschreiben? Ich werde mit Ihnen gehen. Zu lange habe ich gezögert. Jetzt möchte ich dabei sein, wenn der Satan verliert.«
»Dann dürfen wir keine Sekunde mehr verlieren.«
»Einen Augenblick noch«, sagte der Pfarrer und verschwand in einem anderen Zimmer.
Als er wieder zurückkam, hielt er ein schlichtes, etwa ein Yard großes Holzkreuz zwischen den Fingern. »Hiermit werden wir die Brut zur Hölle schicken«, sagte er.
Seine Worte klangen wie ein heiliger Schwur.
***
Nicht nur Ben Strom war in dieser Nacht unterwegs. Auch zwölf weitere Männer huschten wie Schatten durch den nachtdunklen Wald. Wie von einem Magnet angezogen, näherten sie sich ihrem Ziel.
Die einsame Lichtung!
Sie kamen aus den verschiedensten Richtungen und gingen wie in Trance. Wenn sie sich trafen, sprachen sie nicht mal miteinander. Es schien, als hielten unsichtbare Fesseln sie gefangen. Ben Strom war bei den ersten. Seine Augen waren seltsam verdreht. Auf seinem Gesicht lag ein glücklicher Zug. Er dachte nur noch an die Frau, die er heute nacht ganz zu besitzen hoffte. Vergessen war sein früheres Leben, vergessen seine Schwester, seine Kollegen – für ihn zählte nur noch Vivian Delano. Er spürte nicht mal die Zweige, die ihm während des schnellen Gehens ins Gesicht schlugen.
Stockfinster war es in dem großen Waldgebiet. Das Mondlicht schaffte es nicht, das Laubdach der Bäume zu durchdringen. Und doch fand jeder der Männer mit traumwandlerischer Sicherheit sein Ziel.
Die Lichtung war ein großer Kreis, wie mit einer Schere geschnitten. Ein dicker Grasteppich bedeckte den Boden. Um Mitternacht, bei Vollmond, fiel das Licht des Himmelskörpers nahezu senkrecht auf diese kleine Lichtung und beleuchtete sie mit seinem fahlen, gespenstischen Schein. Der Holzfäller erreichte den Fleck als erster. Andächtig blieb er stehen, das Gesicht dem Mond zugewandt. Er hatte die Augen halb geschlossen und schien das fahle Mondlicht geradezu in sich aufsaugen zu wollen. Innerhalb der nächsten Minute waren auch die anderen da. Schweigend verteilten sie sich am Rand der Lichtung. Jeder hatte in diesem Kreis seinen bestimmten Platz. Nur Ben Strom blieb in der Mitte stehen. Er mußte noch das Aufnahmeritual hinter sich bringen.
Und plötzlich war sie da. Vivian Delano! Niemand hatte sie gehört. Wie ein Schatten war sie aufgetaucht. Schön wie eine Göttin stand sie vor Ben Strom. Die roten Haare fielen als Vlies über ihre Schultern. Sie trug ein weites Gewand weißer Farbe. Ihr Gesicht war bleich, und die Lippen schimmerten dunkelrot.
Ben Strom vergaß zu atmen. Die Schönheit dieser Frau raubte ihm das letzte menschliche Denken.
Vivian Delano lächelte, und Ben Strom hatte das Gefühl, daß dieses Lächeln nur ihm allein galt.
Es
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