GK0120 - Die Geisterhöhle
Körper schweißnaß. Das Grauen hatte ihn gestreift, und Ganters Reaktion war nur zu normal und menschlich.
Oder hatte sich jemand einen Scherz erlaubt? Klar, der Unheimliche hatte eine Lederkluft getragen, die Uniform der Rocker. Trotzdem, er mußte den Vorfall melden. Auch Rocker hatten hier nichts zu suchen, und irgendwie fühlte sich Harold Ganter für den alten Schrottplatz verantwortlich.
Er tat das einzig Richtige. Harold betätigte den Bremshebel.
Ein heftiger Ruck ging durch die Lok. Blauweiße Funken sprühten zwischen den Rädern und den Schienen auf. Die zwanzig Loren rumpelten laut.
Aber schließlich war es geschafft.
Der Zug stand.
Ganter wischte sich den Schweiß von der Stirn. Was er jetzt tun würde, war strengstens verboten, aber es gab keine andere Möglichkeit. Außerdem wurde die Strecke ja nur von ihm befahren.
Harold Ganter schaltete auf den Rückwärtsgang. Normalerweise hatte er am Ende der Strecke ein Rangiergleis zur Verfügung, aber bis dorthin wollte er nicht mehr fahren.
Der Zug setzte sich rumpelnd in Bewegung.
Hoffentlich ging alles gut. Die einzelnen Loren waren nicht gerade für eine solche Fahrt geschaffen.
Doch es ging alles glatt.
Nach zwanzig Minuten tauchte der große Schrottplatz wieder auf.
Als die Arbeiter dort sahen, daß Harold Ganter vollbeladen wieder zurückkam, liefen sie ihm schon entgegen.
Der Lokführer bremste.
Der Zug stand kaum, da sprang Ganter bereits aus der Lokomotive.
»Was ist los?« schrie ihn einer an.
Ganter war bleich im Gesicht. »Ich muß telefonieren!« keuchte er und rannte los.
Bis zur Verwaltungsbaracke war es ein ganz schönes Stück zu laufen, und Ganter schnaufte wie sonst seine Lokomotive.
In der Baracke war es leer. Das Telefon stand auf dem altersschwachen Schreibtisch.
Die wichtigsten Rufnummern waren unter der Klarsichthülle auf der Schreibtischplatte aufgeschrieben worden.
Polizeirevier, las Ganter.
Mit zitternden Fingern wählte er die Nummer.
***
Urplötzlich summte das Telefon.
John Sinclair, Bill Conolly, Tom Tarras, Dave Lipton und Ginny saßen noch immer im Arbeitszimmer des Reporters und berieten.
Mit einem Satz schnellte Bill von seinem Stuhl.
»Conolly«, meldete er sich.
»Hör genau zu«, vernahm er eine kratzige Stimme. »Wir haben deine Alte, das weißt du ja.« Ja, natürlich. Aber was…
»Laß mich ausreden!« fauchte der Anrufer. »Wir wollen allerdings dein Weib nicht. Wir wollen dich. Verstehst du?«
»Ja«, sagte Bill. »Was soll ich tun?«
»Das sagen wir dir noch. Warte auf unseren Anruf.«
Bill wollte noch etwas sagen, doch der Unbekannte hatte schon aufgelegt.
Langsam wandte sich der Reporter um.
»Und?« fragte John Sinclair.
»Wie wir es uns schon gedacht haben. An Sheila sind die gar nicht interessiert. Die wollen mich.«
Der Oberinspektor sprang aus dem Sessel. »Und was genau? Haben Sie Bedingungen gestellt? Was sollst du tun?«
Bill lachte hart. »Nichts soll ich tun. Warten. Warten auf den nächsten Anruf.«
John unterdrückte einen Fluch. Vom Warten hatten sie nichts. Selten hatte sich John so hilflos gefühlt wie dieses Mal.
Mitten in seine trüben Überlegungen hinein summte abermals das Telefon.
Wie ein Panther nach der Beute schnappt, so riß Bill den Hörer an sich. Dann verschloß sich sein Gesicht. »Für dich, John. Die Fahndungsabteilung.«
Der Oberinspektor hatte hinterlassen, wo er zu erreichen war.
John lauschte einige Sekunden. Dann legte er wortlos auf. »Wir wissen jetzt, wo sich die Kerle befinden«, sagte der Kriminalist. »Auf einem Schrottplatz an der Themse. Ein Lokführer hat einen von ihnen entdeckt.«
Bills Gesicht strahlte. »Und jetzt?« fragte er und konnte seine Aufregung kaum unterdrücken. »Jetzt werden wir mal den Finger am Drücker haben«, sagte John und begann die Nummer der Fahndungsabteilung zu wählen.
***
Soccer erwartete Stiletto vor der Hütte. Die Tür hatte er zugezogen, damit Sheila nicht hörte, was draußen geredet wurde.
»Alles klar?« fragte der Boss der Monster-Rocker.
Stiletto stieg von der Maschine und bockte sie auf. »Sicher, es ist nichts schiefgegangen. Der Knabe ist schon verdammt aufgeregt. Hat Angst um seine Puppe.«
Soccers Totenschädelgesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Um so besser für uns.« Selbstverständlich hatte Stiletto ein schlechtes Gewissen. Schließlich war er gesehen worden.
Soccer blickte auf seine Uhr. »Der nächste Anruf folgt in zwei Stunden. Solange wollen wir den Kerl noch
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