GK0129 - Das Phantom von Soho
nicht.«
»Erlauben Sie trotzdem, daß ich in der nächsten Nacht bei Ihnen bleibe?«
»Warum nicht? Wenn es Ihnen Spaß macht. Ich muß Ihnen allerdings sagen, ich bin Junggeselle und kann Ihnen außer einem guten. Whisky nichts weiteres anbieten.«
»Auch der Whisky wäre schon zuviel, Sir.«
John stand auf.
»Moment noch, Oberinspektor. Ich will Ihnen nur eben meine Anschrift geben.«
»Danke, nicht nötig. Ich weiß, wo Sie wohnen.«
»Um so besser. Ich erwarte Sie dann heute Abend.«
John Sinclair verließ das Gerichtsgebäude und fuhr in die Gresse Street. Dort wohnte Mrs. Paula Adderly, eine der Schöffen.
Das Haus war vierstöckig, ziemlich alt, und ein verwilderter Vorgarten zierte den Eingang. Ein paar Kinder saßen auf den Stufen und blickten John Sinclair mißtrauisch entgegen.
»Darf ich mal vorbei?« fragte John und lächelte.
»Zu wem wollen Sie denn, Mister?« fragte ein etwa elfjähriger Steppke mit braunem Kraushaar.
»Zu Mrs. Adderly.«
»Da haben Sie Pech gehabt, Mister. Die Adderly ist verreist. Schon vor einer Woche.«
»Und weißt du wohin?«
»Wenn ich fünf Schilling hätte, könnte es mir schon einfallen.«
John gab ihm das Geld.
»Also, Sie ist nach Brighton gefahren. Mit Ihrem Sohn, der hatte eine Lungenentzündung gehabt und braucht Seeluft, das hat wenigstens meine Mutter gemeint.«
»Und du weißt auch nicht, wann sie zurückkommen?«
»No, Mister. Aber Sie wissen ja selbst, solche Kuren dauern mindestens vier Wochen.« erwiderte der Steppke altklug.
»Dank dir«, sagte John und ging wieder zu seinem Wagen. Er wunderte sich, daß die Kinder bei dieser Kälte auf der Treppe saßen, aber wahrscheinlich war es bei ihnen so, daß beide Elternteile arbeiteten und sie für ihre Sprößlinge keine Zeit hatten.
John setzte sich hinter das Lenkrad und holte sein Notizbuch hervor. Ronald Warren, der zweite Schöffe, wohnte in der Holten Street, im nördlichen Soho.
John steckte das Buch wieder weg und drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang sofort an. John blickte in den Rückspiegel, sah, daß die Fahrbahn frei war, und scherte aus der Parklücke.
Im gleichen Moment spürte er den Druck einer Messerklinge im Nacken und eine höhnische Stimme sagte: »Fahr ruhig weiter, John Sinclair!«
Der Geisterjäger kannte die Stimme. Sie gehörte Monty Parker, dem Phantom von Soho…
***
»Miles soll zu mir kommen«, blaffte Direktor Conrad in das Mikrophon. »Ich werde ihm augenblicklich Bescheid geben«, erwiderte seine Sekretärin, die an der Stimme ihres Chefs erkannt hatte, daß er schlechte Laune hatte.
Nervös trommelte Doktor Conrad mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte herum. Dieser verdammte Inspektor hatte ihm überhaupt nicht in den Kram gepaßt. Solch ein Besuch gab immer nur Unruhe und schürte das Mißtrauen.
Als Miles eintrat, hatte er sich wieder beruhigt.
»Sie übernehmen die Wache, Miles«, sagte Conrad zu dem glatzköpfigen Wärter.
»Welche Wache, Sir?«
»– Stellen Sie sich doch nicht so dumm an, Mensch. Die Bewachung von Monty Parker.«
»Aber der sitzt doch in seiner Zelle.«
»Ja, das stimmt. Aber denken Sie, ich lasse mir hinterher etwas nachsagen? Dieser komische Oberinspektor mit seinen spinnigen Ideen soll den denkbar besten Eindruck von uns bekommen. Sie brauchen das natürlich nicht allein zu machen. Lösen Sie sich mit Reeves ab. Ihr beiden habt die beste Kondition. Holt euch zwei Stühle, und setzt euch vor die Tür. Und ab und zu werft ihr einen Blick durch das Guckloch. Aber es schläft nur jeweils einer, verstanden?«
»Natürlich, Sir. Dann kann ich gehen?«
»Ja. Ach so, da wäre noch etwas. Ich werde euch ab und zu kontrollieren kommen.«
»Ich habe verstanden, Sir.«
Draußen ließ Miles richtig Dampf ab. Seine Wut entlud sich in Flüchen, die sogar noch einem Seemann Spaß gemacht hätten.
Perry Reeves lag in seiner Bude auf dem Bett und las ein Comic-Heft.
Er sah ärgerlich auf, als Miles in das Zimmer polterte. »Was ist denn, zum Teufel? Ich habe Feierabend.«
»Einen Dreck hast du, Reeves. Los, hoch mit deinem Bierhintern. Wir haben Wache.«
Reeves, der Miles an Körpergröße in nichts nachstand, bekam Stielaugen, als er hörte, daß sie die Nacht über vor der Zellentür hocken sollten. Doch alles Fluchen half nichts, die beiden holten sich ihre Stühle und übernahmen die Wache.
Ab und zu warfen sie einen Blick durch das Guckloch. Es war noch Nachmittag, und Monty Parker wanderte unruhig in seiner
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