GK0134 - Die Drachenburg
zu ihm war nie abgebrochen, und Jane Collins hatte im Laufe der Zeit gespürt, daß sie für John Sinclair mehr empfand als eben nur reine Freundschaft. Aber der Oberinspektor war ein Mann, der sich schon von Berufs wegen auf keine feste Verbindung einlassen wollte. Zu gefährlich und haarsträubend waren seine Fälle, die ihn in die gesamte Welt führten.
Mit einem Seufzer schloß Jane die Wagentür auf und ließ sich hinter das Lenkrad fallen. Sie hatte versprochen, bei John Sinclair vorbeizufahren.
Der Oberinspektor wohnte in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in einem modernen Apartmenthaus. Er hatte Jane Collins geschworen, einmal pünktlich Feierabend zu machen.
Und er hatte Wort gehalten.
Als Jane Collins klingelte, drang Johns Stimme aus der Gegensprechanlage.
»Hier ist die Königin der Vampire«, sagte Jane mit dumpfer Stimme. »Ich bin gekommen, um den Geister-Jäger zu killen.«
»Dann komm mal rauf«, erwiderte John ebenso dumpf. »Aber nimm dich in acht. Ich habe seit kurzer Zeit kein Blut mehr im Körper, sondern Alkohol, und seitdem sehe ich nur noch betrunkene Vampire herumtorkeln.«
Jane Collins lachte noch, als sie oben den Fahrstuhl verließ.
John stand in der Tür und begrüßte die Privatdetektivin mit einem Kuß auf die Wange.
»Komm rein, der Baum brennt noch«, sagte er und ließ die blonde Jane vorgehen.
Der Oberinspektor war schon fix und fertig angezogen. Er trug einen schwarzen Blazer aus Kaschmirwolle, eine graue Hose, ein gestreiftes Hemd und eine französische Seidenkrawatte.
Jane Collins schlüpfte aus dem Pelzmantel. »Fünf Minuten wärme ich mich noch bei dir auf«, sagte sie und schüttelte ihre langen, bis auf die Schultern fallenden blonden Haare.
Jane ging in den Wohnraum, und John konnte nicht umhin, sie gebührend zu bewundern.
Es gab selten Frauen wie Jane Collins, bei denen Intelligenz und Schönheit in gleichem Maße vertreten war. Jane hatte die strahlendsten blauen Augen, die John je gesehen hatte, und ihr feingeschnittenes Gesicht hätte ein berühmter Maler nicht besser auf die Leinwand bringen können. Zwischen Nasenwurzel und Augenbrauen gruppierten sich keck ein paar Sommersprossen, – was John oft zu der Bemerkung veranlaßte, ich bin ja so verschossen, in deine Sommersprossen.
Jane trug an diesem Abend einen weitschwingenden, grauen Rock und einen grasgrünen Pullover, der an ihrem Körper lag wie eine zweite Haut.
Sie ließ sich John gegenüber in einem Sessel nieder und nahm eine Zigarette aus dem Etui.
Der Oberinspektor gab der Detektivin Feuer und lehnte sich zurück. »Sag mal, so ganz geheuer ist mir das nicht, daß du mich zu dieser Party schleppst. Schließlich kenne ich den Gastgeber nicht einmal.«
»Das macht nichts, John. Peter ist ein netter Kerl, er wird dir bestimmt gefallen.«
»Hast du denn keine Angst vor der Konkurrenz?«
Jane lachte. »Du meinst als Detektiv! Nein, Peter ist in erster Linie Jurist. Detektiv spielen ist praktisch sein Hobby. Außerdem haben wir uns so geeinigt, daß er mir ab und zu ein paar Aufträge zuschiebt, damit ich nicht verhungere.«
»Aha, ein Komplott also.«
»Du weißt doch, John. Jeder muß sehen, wo er bleibt. Außerdem bin ich ja kein Beamter wie du. Da kommt die Beförderung und die Gehaltserhöhung ja automatisch.«
»So schlimm ist es ja nun auch nicht«, erwiderte John, blickte auf seine Armbanduhr und fragte: »Sollen wir uns nicht auf den Weg machen? Ich glaube, es wird Zeit.«
»Einverstanden.« Jane drückte ihre Zigarette aus. »Hast du ein Taxi bestellt?«
»Ja, es müßte gleich kommen.«
Wie auf ein Stichwort hin schellte es. John half Jane in den Mantel und während er seinen pelzgefütterten Wildledercoat überstreifte, fragte er: »Wieviel Gäste kommen denn noch zu dieser Party?«
»Ich weiß es nicht. Aber die einzigen werden wir nicht sein.«
»Dann bin ich ja beruhigt.«
Die beiden fuhren mit dem Lift nach unten. Der Portier winkte ihnen zu, als sie die moderne Halle verließen.
Das hochrädrige Londoner Taxi wartete mit laufendem Motor. Jane gab die Adresse an, und der Fahrer dampfte ab. Er war ein schweigsamer Zeitgenosse, der nicht einmal über die Kälte schimpfte.
Peter Lorimer wohnte in Mayfair in der Grafton-Street. Es war eine bürgerliche Wohngegend. Die Häuser waren im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Jahre alt und besaßen kleine Vorgärten, die von den Mietern mit viel Liebe gepflegt wurden.
Das Taxi stoppte. John beglich die Rechnung und stieg mit Jane
Weitere Kostenlose Bücher