GK0134 - Die Drachenburg
balancierte.
»Springen Sie!« rief jemand.
John spürte die mörderische Hitze im Nacken. Er durfte jetzt nicht mehr zögern.
Der Geisterjäger sprang!
Kraftvoll stieß er sich ab, der angesengte Mantel flatterte im Fallwind. Unheimlich schnell raste John dem Pflaster entgegen.
Dann kam der Aufprall!
John Sinclair spürte ihn bis in die Haarspitzen. Er wurde nach vorn geschleudert, zog den Kopf zwischen die Schultern und rollte sich zusammen wie ein Igel.
Die Zuschauer waren zur Seite gesprungen.
John Sinclair überschlug sich dreimal, hörte das schrille Jaulen der Sirene, wurde von zwei starken Scheinwerferstrahlen erfaßt und knallte plötzlich mit der Stirn gegen etwas Hartes.
Es war ein parkender Wagen, der John Sinclair im Weg gestanden hatte.
Der Oberinspektor sah eine Unzahl von Sternen vor seinen Augen aufsprühen, spürte noch, wie ihn hilfreiche Hände zur Seite rissen, und dann nichts mehr.
***
Sandra Lee und Peter Lorimer liefen auf die Straße, bevor im Haus die ersten Türen aufgerissen und die Schreie nach der Feuerwehr laut wurden.
Sandra hatte wieder ihre normale Gestalt angenommen. Blitzschnell war die Verwandlung vor sich gegangen, so rasch, daß man ihr kaum mit den Augen folgen konnte.
Sandra hielt Peter am Ärmel fest. »Wo steht dein Wagen?«
»In der Garage.«
Das Heulen der Feuerwehrsirenen traf ihre Ohren, und Sandra stieß ein hartes Lachen aus. Wahrscheinlich kam für diesen Sinclair schon jede Rettung zu spät.
Mit zitternden Fingern schloß Peter das Garagentor auf, klappte es hoch, setzte sich in seinen Wagen – einen beigen Renault R 6 – und fuhr ihn nach draußen.
Sandra schwang sich auf den Beifahrersitz. Das Schwert des Drachens lag vor ihr auf den Knien.
»Den Weg kennst du ja«, sagte sie.
Die Brandstelle blieb hinter ihnen zurück. Sandra achtete darauf, daß Peter Lorimer vorschriftsmäßig fuhr. Sie hatte keine Lust, sich einer Polizeikontrolle stellen zu müssen.
»Wie weit ist es denn noch?« fragte sie nach zehnminütiger Fahrt.
»Wir sind gleich da.«
Peter Lorimer hatte nicht übertrieben. Zwei Minuten später stoppte er auf dem großen Parkplatz, der zu dem Apartmenthochhaus gehörte, in dem Jane Collins wohnte.
Das breite gläserne Eingangsportal war verschlossen. Bestimmt an die hundert Namensschilder leuchteten auf dem Klingelbrett.
Die Detektivin wohnte im siebten Stock.
Peter Lorimer schellte.
Sekunden später schon tönte ein fragendes »Ja« aus der Sprechanlage.
»Wir sind es«, sagte Peter.
»Augenblick, ich mache auf.«
Der Türsummer ertönte, und wenig später standen Sandra und Peter im Lift auf der Fahrt nach oben.
»Hüte dich, ihr eine Warnung zukommen zu lassen«, sagte die Untote. »Ihr würdet es dann beide nicht überleben.«
»Keine Angst, ich werde mich genau nach deinen Wünschen richten«, erwiderte Peter.
»Dir bleibt ja auch keine andere Wahl.«
Der Lift stoppte, und Sandra drückte die Türen auf.
Jane Collins Apartment befand sich dem Lift schräg gegenüber. Die Detektivin stand in einem offenen Türrechteck. Sie trug einen bequemen Hausanzug aus Seide, der sich eng um ihre Figur schmiegte. Jane hatte die Haare ausgekämmt, sie fielen ihr in langen Wellen bis auf die Schultern.
»Kommt rein«, sagte sie zur Begrüßung, und ihr fiel sofort auf, wie blaß Peter Lorimer war.
Sandra Lee hatte das Schwert des Drachens hinter ihrem Rücken versteckt. Die Detektivin sollte die Waffe nicht schon draußen auf dem Flur bemerken.
Jane schloß die Tür und führte die beiden in den Livingroom. Long-Drink-Gläser standen auf dem Tisch, und Jane fragte, ob sie etwas zu trinken anbieten könne.
Ihr Angebot wurde abgelehnt.
Im gleichen Augenblick schwang Sandra Lee den Arm mit dem Schwert herum. Eine Handbreit von Janes Brust entfernt kam die Spitze zur Ruhe.
Die Detektivin war bleich geworden. »Was soll der Unsinn?« fragte sie und schielte auf die Klinge.
»Sie setzen sich hin«, befahl die Untote.
Jane warf Peter Lorimer einen verständnislosen Blick zu, doch der junge Jurist hob nur die Schultern.
Jane Collins ließ sich in den grasgrünen Cordsessel fallen. Sandra stand vor ihr. Wie festgeschmiedet lag das Schwert in ihrer Hand. Sie war bereit, bei der geringsten verdächtigen Bewegung zuzustoßen.
Jane Collins Miene vereiste. »Ich darf doch wohl um eine Erklärung bitten«, sagte sie mit frostiger Stimme.
»Sicher dürfen Sie das«, erwiderte Sandra Lee. »Aber vorerst rate ich Ihnen, keine
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