GK0141 - Irrfahrt ins Jenseits
gut reden!« Lunt wandte den Kopf. »Ich muß ja schießen und nicht du.«
Cora Benson verstaute gelassen die Schminkutensilien in ihrer Handtasche. »Wer von uns beiden ist denn der Killer-Profi? Ich habe das Schießen schließlich nicht gelernt.«
»Deine Ausreden kenne ich.«
»Das kannst du halten wie der Weihnachtsmann. Mit dem Sack auf dem Rücken.«
Cora Benson war eiskalt. Äußerlich zwar sehr attraktiv, doch in ihrem Innern gefühllos wie ein Roboter. Cora hatte lackschwarzes Haar. Es war zu einer Pagenfrisur geschnitten, die das schmale Gesicht noch mehr betonte. Cora hatte ein Faible für Hüte. Heute trug sie einen himbeerroten modernen Hut, der die Form einer großen Praline hatte. Coras Gesichts-Make-up war perfekt. Ein unauffälliger grüner Lidschatten, rasierte Augenbrauen und eine teure Hautcreme, die die ersten Falten verdeckte. Das sandfarbene Kostüm stand ihr ausgezeichnet und betonte die Figur. Nie hätte man in Cora Benson eine Verbrecherin vermutet.
Leo Lunt zündete die erloschene Zigarette wieder an. Er war das glatte Gegenteil zu der Frau. Ein Bürstenhaarschnitt krönte seinen Schädel. Darunter befand sich eine hohe, viereckige Stirn. Die dichten Brauen wuchsen über den farblosen Augen fast zusammen, und die beiden Wangenknochen sprangen vor wie Haken. Leos Lippen waren dick und aufgeworfen. Insgesamt gesehen war er vom Typ her ein Mann, dem eine Frau nicht allein im Dunkeln begegnen wollte.
Das Schicksal hatte ihn und Cora Benson zusammengeführt. Cora war die Frau eines Mithäftlings in Dartmoor gewesen, und wie das Leben so spielte, hatte Leo die Frau nach seiner Entlassung besucht. Coras Mann dagegen saß immer noch. Fünfzehn Jahre würde er noch gesiebte Luft atmen.
Cora und Leo hatten festgestellt, daß sie gemeinsame Interessen besaßen. Beide wollten reich werden. Egal wie.
Die Frau hatte dann den raffinierten Plan gehabt, von dem sie glaubten, daß er ihnen hunderttausend Pfund Sterling bringen würde.
»Jetzt müßten sie eigentlich kommen«, sagte Leo Lunt und schaute wieder auf seine Uhr.
»Vielleicht dauert die Schule länger.«
»Ausgerechnet heute?«
»Möglich ist alles. Wir sollten trotzdem die Nerven beihalten.«
»Ja, ja, ich weiß schon, du hast immer recht.« Wütend drückte Lunt die Zigarette im Aschenbecher aus und klemmte sich sofort eine neue zwischen die Lippen.
»Mal gespannt, wann deine Lunge kaputt ist«, sagte Cora.
»Dann rauch’ ich eben auf der Leber weiter.«
Die Frau lachte. Sie wußte, daß sich Leo darüber ärgerte, daß sie die intelligentere von beiden war. Aber das konnte er nun mal nicht mehr ändern. Wenn die Sache gelaufen war, dann würde sie Leo abservieren wie ein benutztes Hemd.
Wieder vergingen mehrere Minuten. Der dunkelgrüne Volvo stand auf einem breiten Privatparkplatz, auf dem Gelände der Schule. Bäume lockerten das Bild auf. Außer dem Volvo parkten noch ein Bentley und ein Rolls Royce zwischen den wuchtigen Stämmen.
Eine strahlende Wintersonne stand über Glasgow. Sie war schon recht warm und taute auch schon die letzten liegengebliebenen Schneereste weg.
»Sie kommen«, sagte Cora plötzlich in das lastende Schweigen hinein.
Leo Lunt zuckte herum. »Wo?«
»Jetzt behalte um Himmels willen die Nerven!« fauchte die Schwarzhaarige.
»Keine Angst, Süße, ich war noch nie so gut in Form wie heute.« Leo Lunt kicherte. Seine Hand tastete zum Beifahrersitz und umklammerte die Pistole. Beinahe liebevoll strich Lunt über den klobigen Schalldämpfer, den er auf den Lauf geschraubt hatte. Dann kurbelte er gelassen die Seitenscheibe herunter.
Ein Blick in den Innenspiegel zeigte ihm, daß Cora sich nicht getäuscht hatte. Das Opfer kam tatsächlich.
Ein neunjähriges blondes Mädchen sprang an der Hand eines bulligen Mannes ausgelassen hin und her. In der anderen Hand trug der Mann eine rote Schultasche, während sein Blick mißtrauisch hin- und herschweifte.
Der Mann war ein Leibwächter, ein Bulle. Engagiert hatte ihn Sir Horace Paine, um seine Tochter Alice bewachen zu lassen.
Paine war mehrfacher Millionär. Er galt als einer der Bergwerkskönige von Schottland. Er hing mit abgöttischer Liebe an seiner Tochter, das einzige Kind, das er und seine verstorbene Frau zusammen gehabt hatten.
Paine würde jede Summe ausspucken. So hatte sich Cora Benson das vorgestellt.
Die beiden hatten jetzt den parkenden Volvo erreicht. Leo hörte das helle Kinderlachen des Mädchens. Die Pistole hatte er unter seinem
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