GK0163 - Der Unheimliche von Dartmoor
Gang wartete ein zweiter Aufseher. Es war der, den John auch bei der Essensausgabe gesehen hatte.
»Wo geht’s denn hin?« fragte der Geister-Jäger, als sie über den langen Flur schritten.
»Fragen werden hier nicht gestellt«, bellte McGivern. »Aber ich will mal eine Ausnahme machen. Der Direktor möchte Sie sprechen, Sinclair. Er redet immer allen Neuen ins Gewissen. Hinterher fühlen sie sich direkt besser.«
»Das glaube ich«, murmelte John, aber so leise, daß es die beiden Beamten nicht verstehen konnten.
John wurde in den Westflügel des Zuchthaustraktes geführt. Hier lagen die Verwaltungsräume, unter anderem auch das Büro des Direktors.
»Frederick K. Bannister« stand mit Messingbuchstaben auf der Tür.
McGivern zog noch seine Uniform zurecht, ehe er anklopfte.
»Kommen Sie herein!« ertönte eine militärisch barsche Stimme, John wurde von McGivern in den Raum geschoben. »Und benehmen Sie sich«, flüsterte er dem Oberinspektor noch zu.
Bannister saß hinter seinem Schreibtisch. Kerzengerade wie ein Bleistift.
Der Stimme nach hatte John sich den Mann auch so vorgestellt.
Kurzer Haarschnitt, hager, hochgewachsen, straffe Gestalt. Die Augen hinter den getonten Brillengläsern fixierten John scharf.
Titus McGivern blieb zwei Schritte hinter dem Geister-Jäger stehen.
Mit auf dem Rücken gefalteten Händen.
Bannister bot John keinen Platz an. So etwas gab es nicht in einem Zuchthaus.
Ungefähr zehn Sekunden dauerte die Musterung. Dann räusperte Bannister sich, schlug Johns sauber präparierte Akte auf und sagte:
»Sie sind also Sinclair?«
»Ja, Sir.«
»Und Sie haben Ihre Frau umgebracht.«
»Deshalb bin ich verurteilt worden.«
»Ja, fünfzehn Jahre. Noch viel zu wenig für einen Typ wie Sie. Auf Totschlag hat das Gericht ja erkannt. Sie mußten einen guten Anwalt gehabt haben. Sie wissen ja, wenn Sie hier herauskommen, sind Sie fast fünfzig. Eine verdammt lange Zeit, fünfzehn Jahre. Was waren Sie eigentlich vorher von Beruf?«
»Kaufmann. Ich habe in der Exportabteilung einer Firma gearbeitet, die elektronische Geräte herstellt.«
»Und dann sind Sie durchgedreht, wie?«
John hob nur die Schultern.
Der Direktor strich sich über seinen schmalen Nasenrücken.
»Fünfzehn Jahre, Sinclair. Sie haben die Wahl. Sie sind ein intelligenter Mann. Sie können hier im Zuchthaus ein gutes Leben haben. Der Leiter unserer Bücherei wird in zwei Monaten entlassen. Wir suchen immer noch einen passenden Nachfolger. Das wäre was für Sie, aber wie gesagt, nur wenn Sie sich gut führen. Doch erst einmal werden Sie im Moor arbeiten. Ihr Zellengenosse wird Sie bestimmt einweisen. Ach ja, wer ist es eigentlich?«
»Er heißt Kubak.«
Der Direktor zuckte unmerklich zusammen, »Kubak, na ja, da sind Sie ja an den richtigen geraten. Aber man muß alles mal durchgemacht haben. Und denken Sie immer daran, ich werde ein Auge auf Sie haben.«
»Ja, Sir.«
Der Direktor hob die Augenbrauen. »Haben Sie sonst noch Fragen, Sinclair?«
Jetzt ritt John der Teufel. Er wollte, wie man so schön sagt, auf den Busch klopfen. »Ja, Sir.«
»Dann sprechen Sie.«
»Ich habe gehört, es hat drei Ausbrüche gegeben.«
Jetzt wäre der Direktor bald wie eine Rakete an die Decke gefahren.
Hinter John stieß McGivern scharf die Luft aus.
Der Geister-Jäger versuchte sein harmlosestes Gesicht aufzusetzen und hoffte nur, daß es ihm gelang.
»Wer hat diesen Unsinn erzählt?« fragte Bannister mit klirrender Stimme.
»Bitte, Sir. Ich weiß es nicht Ich habe es nur gehört.«
»Sagen Sie mir den Namen!«
»Ich kenne den Mann nicht. Außerdem habe ich es nicht hier im Zuchthaus vernommen, sondern schon in London.« John bluffte eiskalt. Und am Gesicht des Direktors erkannte er, daß der Mann den Bluff schluckte.
»Okay, Sinclair, Sie können vorerst gehen. Sie, McGivern, kommen hinterher noch mal zu mir.«
»Jawohl, Sir.«
McGivern gab John einen Stoß in die Seite »Los, kommen Sie, Sinclair.«
Der andere Beamte hatte draußen gewartet. Wie ein unmündiges Kind wurde John Sinclair wieder zurückgeführt.
»Sinclair, Sie machen sich selbst das Leben schwer«, sagte McGivern gefährlich leise. »Sie hätten nicht solch eine dumme Frage stellen sollen. Der Direktor wird schlechte Laune haben, und die läßt er oft an uns aus. Ungerechterweise, muß ich sagen. Aber wir – wir geben diese Laune weiter, an die Gefangenen. Sie verstehen doch, Sinclair.«
»Natürlich, Sir. Aber
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