GK0163 - Der Unheimliche von Dartmoor
erhitzt Krieg tobte in dem Land. Streifende Soldaten plünderten, raubten und brandschatzten. Vor allem einsam liegende Gehöfte und Häuser waren eine willkommene Beute.
Die Frau, die in dieser Nacht am Fenster stand und nach draußen starrte, hatte keine Angst. Sie war schon alt und hatte ihr Leben bereits hinter sich. Aber sie hatte mit dem Satan gebuhlt und war im nahen Dorf als Hexe verschrien.
Jemand hatte sie beim Pfarrer angezeigt, und der Pfarrer hatte einen Hexenjäger bestellt, der jeden Tag eintreffen konnte.
Loretta kicherte. Dieser Hexenjäger würde sich wundem. Sie würden alles zugeben, ihm frech ihre Untaten ins Gesicht sagen. Dann konnte er sie ruhig töten. Ihr Leib war sterblich, doch ihre Seele würde in einem Zwischenreich umherwandern und irgendwann wieder auf die Erde zurückkehren.
Der Satan ließ seine Diener nie im Stich.
Der Sumpf war nahe, und das Quaken der Frösche war in dieser Nacht besonders laut. Bei Tageslicht konnte Loretta bis zu dem kleinen Hügel blicken, auf dem der Dreiergalgen stand.
Zwei Gehenkte schaukelten in den Schlingen. Verbrecher, Mörder! Sie sollten eine Nacht auf dem Galgenhügel hängen bleiben, damit sich der Teufel ihrer Seelen bemächtigen konnte.
Die Hexe kicherte. Sie rieb sich die faltigen, gichtkrummen Finger. Es raschelte, als würde Papier zusammengeknüllt.
Die Häscher bemühten sich, lautlos zu sein. Und doch entdeckte Loretta sie.
Das Mondlicht übergoß den Sumpf mit seinem silbrigen Schein.
Zweimal schon hatte Loretta Gestalten hinter einem Busch auftauchen sehen. Es war immer nur ein kurzer Augenblick gewesen, dann waren die Gestalten wieder verschwunden.
Die Hexe nickte vor sich hin. Es wurde Zeit, daß sie die Kiste mit den Büchern versteckte. Sie ging die altersschwache Stiege hoch. In der rechten Hand trug sie eine brennende Kerze, die sie auf einen Teller gestellt hatte.
Das Licht geisterte über das faltige Gesicht der Frau. Eingefallen waren die Wangen, und das dunkle Kopftuch ließ das Gesicht noch schmaler erscheinen.
Die Hexe sah aus wie eine lebende Mumie. Nur ihre Augen glühten in einem fanatischen Feuer. Es war der böse Blick, wie die ängstlichen Dorfbewohner sagten.
Die Hexe erreichte die oben liegenden Räume, Hier stand auch die Truhe mit den für sie wertvollen Büchern. Die Truhe war noch geöffnet. Loretta nahm ein Tuch und deckte damit die Bücher ab.
Dann schloß sie den Deckel der Truhe und riegelte ihn ab. Sie packte den eisernen Haltegriff und zog die Truhe in eine Ecke des Zimmers.
Anschließend malte sie mit magischer Kreide einige Zeichen auf die Truhe. So war garantiert, daß sie kein Uneingeweihter öffnete.
Die Häscher hatten jetzt die Haustür erreicht. Schwere Schläge dröhnten gegen das Holz.
»Wir kommen, Loretta!« brüllte eine Stimme. »Mach auf!«
Die Hexe dachte nicht daran. Sie kicherte und verkrampfte ihre Finger. »Etwas müßt ihr auch schon tun«, murmelte sie.
Langsam ging sie nach unten. Sie hatte etwa die Hälfte der Stiege hinter sich gebracht, da brachen die Männer die Tür auf.
Sie quollen wie die Ameisen in den kleinen Raum.
Sieben, acht Leute.
Sie hielten Fackeln und Kreuze in den Händen. Jeder der Männer hatte eine Waffe bei sich. Die meisten hatten Schwerter und Degen umgeschnallt. In manchen Gürteln steckten auch lange Messer.
Die Hexe blieb stehen. Der Anblick der Kreuze bereitete ihr fast körperliche Schmerzen. Sie hob die Hand vor die Augen und drehte den Kopf weg.
Ein Mann in einem schwarzen Wams, auf dessen Vorderseite ein Kreuz gestickt war, trat vor.
»Bist du eine Hexe?« fragte er.
»Ja!« kreischte Loretta »Ja, ich bin eine Hexe!«
Der Mann trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Du – du gibst es zu?«
»Ja.«
Der Hexenjäger tat einen tiefen Atemzug. »Dann ist alles klar, und wir brauchen keinen Prozeß mehr. Das Urteil wird sofort vollstreckt!«
Die übrigen Männer grölten Beifall. Sie überließen dem Hexenjäger die Initiative, trauten sich nicht so recht, selbst einzugreifen. Zu tief steckte die Angst vor dem Bösen in ihnen.
»Los, Geoffrey, pack sie!« schrie jemand.
Mit Geoffrey war der Hexenjäger gemeint. Mit einer raschen Bewegung zog er sein Schwert aus der Scheide. Ein wenig zögernd ging er auf die Hexe zu. Dieses Weib war ihm unheimlich.
Loretta funkelte ihn an. Und plötzlich kreuzte sie ihre Hände gegeneinander, bewegte die Finger und murmelte eine finstere Beschwörung.
Im gleichen Augenblick ließ der
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