GK0168 - Die Nacht des Schwarzen Drachen
seinem Bentley. Der silbermetallicfarbene Wagen war sein einziges Hobby. Allerdings auch ein sehr kostspieliges.
Da John jedoch Junggeselle war und keine Familie hatte, konnte er den Wagen ohne weiteres halten.
Der Oberinspektor kannte die Gegend, in der Jim Rander wohnte. Ein Abbruchviertel mit alten, verrußten Backsteinbauten, stillgelegten Fabrikgeländen und unzähligen Ratten, die die Zahl der Einwohner noch übertrafen.
John überquerte die Themse auf der Waterloo Bridge. Der Fhß führte nur wenig Wasser, auch eine Folge des trockenen heißen Sommers, der die Insel und das europäische Festland an den Rand einer Dürrekatastrophe gebracht hatte.
Schon bald steuerte John den Bentley durch die düstere Hafengegend, die selbst ein freundlicher Sonnentag nicht verschönern konnte. Hinter den abbruchreifen, ziemlich flachen Häusern ragten die Gerüste der Verladekräne wie große Finger in den wolkenlosen Himmel. Das Quietschen der schweren Seilwinden drang an John Sinclairs Ohren, und durch die offene Seitenscheibe wehte warme, nach brackigem Wasser riechende Luft in den Bentley.
Die Straße, in der Jim Rander wohnte, war eng und schnurgerade. Die barackenähnlichen Häuser, die die Fahrbahn einrahmten, konnten mit gutem Gewissen als menschenunwürdig bezeichnet werden.
Parkraum gab es genug. Für die Bewohner hier galt ein Auto noch als Luxus.
John Sinclair fiel ein gelber VW-Porsche auf, der vor Randers Haus stand. Der Geisterjäger konnte sich vorstellen, daß dieser Wagen Jim Rander gehörte. Er wunderte sich nur, daß ein Typ, der solch ein Auto fuhr, in einer Gegend wie dieser wohnte.
John stoppte seinen Bentley hinter dem gelben Flitzer.
Selbstverständlich erregte sein Wagen Aufsehen.
Aus den Türnischen erschienen ein paar Gaffer. Aber nicht nur sie. Auch ein paar Jugendliche schlenderten näher. Ihre Absichten waren unschwer zu erkennen.
Es waren langhaarige Typen, in Lederzeug verpackt und mit Orden aus dem letzten Krieg dekoriert. Neben dem Bentley blieben die Kerle stehen. Fünf insgesamt – eine lebende Mauer! Die übrigen Gaffer hatten sich in respektvolle Entfernung zurückgezogen. Sie bedachten den Oberinspektor mit hämischen Blicken, gönnten diesem Fatzke die sich anbahnende Abreibung. John wollte keinen Ärger. Er war ausgestiegen und hatte den Wagen abgeschlossen. Doch weiter kam er nicht, denn die Kerle hatten ihn eingekreist.
Der Geisterjäger lächelte freundlich. »Laßt mich durch«, sagte John Sinclair.
Der Anführer der Rocker – er hatte das lange blonde Haar mit einem Stirnband zusammengebunden und mindestens tausend Pickel im Gesicht – schüttelte den Kopf.
»Nee, du Pinkel«, sagte er, »das kostet was, wenn wir dich durchlassen sollen.«
»Wieviel denn?«
»Hundert Pfund.«
»Soviel habe ich leider nicht bei mir.«
Der Rocker entblößte gelbe Zahnstummel. »Dann gibt es noch eine andere Möglichkeit.«
»Und die wäre?« John spielte noch immer den Unbefangenen, obwohl er längst wußte, wie der Hase laufen sollte.
Der Rocker ballte genüßlich die Faust – und dann schlug er zu. Im nächsten Moment schrie er wie am Spieß. John hatte die Faust abgefangen und blitzschnell den Arm herumgehebelt. Der Rocker vollführte eine unfreiwillige Verbeugung und küßte fast den schmutzigen Boden.
Seine Kumpane standen wie angeleimt auf dem Fleck.
»So tut doch was!« keuchte der Rocker mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Verdammt, laßt euch nicht…«
»Halt den Rand!« zischte John. Mit der Linken holte er seinen Ausweis hervor. »Ich bin Scotland-Yard-Beamter«, sagte er, »und das, was hier geschehen ist, war Widerstand gegen die Staatsgewalt. Es reicht, um wenigsten den Anführer erst einmal einzulochen. Wie ich aus Erfahrung weiß, kommen bei den Verhören dann noch andere Straftaten ans Tageslicht. Ich gebe euch aber eine Chance. Entweder ihr paßt auf meinen Wagen auf, oder ich rufe das nächste Revier an. Na, was ist euch lieber?«
»Der Wagen«, ächzte der Anführer.
John ließ den Kerl los. Er verlor das Gleichgewicht und fiel hin, stand aber sofort wieder auf den Beinen und rieb sich das rechte Handgelenk.
Schweigend bildeten die Rocker eine Gasse. Die Menschen, die vom Fenster aus zugesehen hatten, zogen ihre Köpfe zurück. Mit der Polizei wollte hier niemand etwas zu tun haben.
Die beiden Kinder waren noch immer im Hausflur, Sie saßen auf der untersten Treppenstufe und sahen John aus großen Augen an.
Der Oberinspektor lächelte freundlich
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