GK0183 - Das Hochhaus der Dämonen
Unruhig ging er in seinem Zimmer auf und ab.
Der Raum war groß, mit hohen Decken, so wie man sie früher hatte. Zum Bad führte eine kleine Tür, und eine Kochnische war ebenfalls noch abgeteilt worden.
Theo Plummer hatte sich bisher ziemlich wohl gefühlt, denn er hatte auch seine eigenen Möbel mitbringen können. Aber an diesem Abend schienen ihm der wuchtige Schrank und die Standuhr regelrecht zu erdrücken. Plummer hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er ging ans Fenster und öffnete es.
Mit leeren Blicken schaute er hinaus in die Nacht.
Dieser Sinclair hatte alte Wunden aufgerissen. Ja, er hatte sich mit Florence Barkley immer gut verstanden. Die beiden waren regelmäßig zusammengewesen, wie ein Ehepaar. Andere Heiminsassen hatten ihre Nasen gerümpft oder über sie gelacht, aber sie hatten sich gar nicht daran gestört, waren ihren eigenen Weg gegangen. Florence hatte ihm viel erzählt. Sie wußte eine ungeheuere Menge, kannte sich auf zahlreichen Gebieten aus. Seltsam nur hatte er gefunden, daß sie nie über Religion diskutiert hatten. Sobald die Sprache auf dieses Gebiet gekommen war, hatte Florence abgewinkt. Später, als er und Florence sich besser kannten, hatte er dann auch den Grund erfahren.
Florence war eine Dienerin des Satans gewesen.
Ihre Vorfahren schon hatten dem Teufel gehuldigt, hatten auf ihrem Grund für ihn einen Brückenkopf errichtet. Und der Satan hatte es ihnen gelohnt. Sie hatten im Leben nie Schwierigkeiten gehabt, die Barkleys hatten Kriege überstanden, und doch mußten sie einen grausamen Tribut zahlen.
Sie hatten nicht richtig sterben können, sondern waren eingegangen in das Pandämonium, jenes Schreckensreich zwischen Dies- und Jenseits.
O ja, auch davon wußte Theo Plummer. Aber er hatte nie so recht daran geglaubt. Trotz der beschwörenden Reden war Plummer nie ganz auf Florence Barkleys Linie eingeschwenkt. Für ihn existierte auch weiterhin der Herrgott, nicht der Satan.
Theos Gedanken beschäftigten sich wieder mit der Gegenwart. Die kalte, nach Schnee und Winter schmeckende Luft drang in das Zimmer.
Im Park war es dunkel. Nur über dem Eingang brannte ein einsames Licht. Theo Plummer konnte es sehen, wenn er den Kopf drehte. Im Haus selbst hatte die Ruhe Einkehr gehalten. Das Abendessen war vorbei, und auch die letzten Küchenmädchen hatten sich auf den Heimweg gemacht.
Theo Plummer dachte daran, daß am nächsten Tag der Weihnachtsbaum aufgestellt würde. Die hohe Fichte wurde extra in den weiten Wäldern geschlagen und dann inmitten des Parks aufgebaut.
Theo Plummer fror. Er hatte nur eine dünne Strickjacke über sein Hemd gezogen.
Leise schloß er das Fenster.
»So allein, Theo?«
Plummer erschrak. Er fühlte plötzlich eine Gänsehaut über den Rücken rieseln.
Die Stimme kannte er. Sie gehörte…
Plummer drehte sich um.
Da stand sie vor ihm.
Florence Barkley.
Und sie sah noch genauso aus wie früher. Sie trug das gleiche Kleid, hatte noch immer die altmodische Frisur und…
Doch, es hatte sich etwas verändert.
Die Augen waren es. Sie blickten kalt, seelenlos, glichen jetzt Eiskristallen.
Plummer begann zu frösteln. Er riß sich aber zusammen, produzierte ein krampfhaftes Lächeln und sagte: »Du bist es, Florence.«
Die Geisterfrau nickte. »Ja, hast du nicht mehr mit mir gerechnet? Ich habe dir doch gesagt, daß ich wiederkommen werde.«
»Doch, das schon.« Plummer senkte den Kopf. »Nur…«
»Ja, was ist?«
»Man macht Jagd auf dich, Florence. Die Polizei war schon hier. Sie haben einen Verdacht. Besonders dieser Oberinspektor Sinclair.«
»Du erzählst mir nichts Neues, Theo«, erwiderte die Geisterfrau.
»Und? Hast du keine Angst?«
Florence Barkley lachte. »Nein, mein lieber Theo. Ich brauche keine Angst mehr zu haben. Diese Zeiten sind vorbei. Ich lebe im Pandämonium, wo es keine menschlichen Gefühle mehr gibt. Doch, Theo, es gibt noch ein Gefühl. Rache! Die Rache ist es, die mich nicht ruhen läßt. Und ich werde diese Rache bis zum Ende durchführen.«
Plummer hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Laß es doch so, wie es ist, Florence. Du kannst nichts mehr rückgängig machen. Laß die Menschen in Ruhe. Sie haben dir nichts getan, Florence. Sie können doch nichts dafür, daß sie auf deinem Grund und Boden wohnen.«
Die Frau ging einen Schritt zurück. »Wie sprichst du denn auf einmal, Theo?«
Der alte Mann lächelte verloren. »Wie ein Mensch, Florence. Ich bin im Gegensatz zu dir nicht
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