GK0200 - Das Todeskarussell
sie nur mal schief anzusehen, dann fallen sie auseinander. Dann starb der alte Wilson. Man schrieb das Jahr neunzehnhundertfünfzig. Er war inzwischen zweiundachtzig Jahre alt geworden. Ich war damals schon im Dorf und kann mich noch gut erinnern. Es war an einem Sommerabend, als der alte Wilson seinen Spaziergang machte. Meist ging er über seine Felder. Und plötzlich – ein zufällig vorbeikommender Radfahrer hat es gesehen – ist aus der Erde eine Feuerlanze herausgeschossen, hat den Alten in zwei Teile gespalten und dann verbrannt. Ihm war nicht mehr zu helfen. Und an der Stelle, wo ihn das Schicksal getroffen hatte, war die Erde in einem Umkreis von fünf Yards kohlrabenschwarz. Alles verbrannt, so daß die blutigen Zeichen besonders gut zu sehen waren. Chandras Rache, stand dort geschrieben, und diese Worte stehen auch noch heute dort. Man hat sie nicht wegbekommen, obwohl alles versucht worden ist.«
»Sind noch mehr Morde geschehen?« fragte John.
»Ja. Acht Jahre später fand man Wilsons Bruder. Er lag auf dem Karussell – ohne Kopf. Und mit Wilsons Bruder ist etwas Schreckliches geschehen. Er erwachte nach einigen Stunden wieder zu einem scheußlichen Leben und hat seine Tochter und seinen Schwiegersohn getötet. Es war grauenhaft. Auch er war gegen Kugeln immun. Er ist auf das Karussell gegangen und verschwand.«
»Fast wie bei diesem Ken Kovac«, meinte Inspektor Fenton. John nickte. Er versuchte aus dem Gehörten ein Mosaik zusammenzubasteln, was gar nicht mal so einfach war. Vieles schien widersprüchlich zu sein, doch etwas war schon jetzt klar zu erkennen. Dieses Karussell hatte eine bestimmte Bedeutung. Für John Sinclair war es eines der Tore in das Reich der Finsternis.
In eine andere Dimension, in das Land der Dämonen!
John schnippte die Finger gegeneinander, und es gab ein klackendes Geräusch. »Wilsons Sohn, dieser Tatum, lebt er noch?«
»Ja. Er ist sogar unser Bürgermeister geworden«, erwiderte der Pfarrer.
»Mit einem Mord auf dem Gewissen«, fügte Fenton hinzu.
»Wir sind keine Richter, Sir«, gab der Pfarrer zurück. Dann kam er wieder auf das Wesentliche. »An Tatum Wilson ist der Fluch wohl vorbeigegangen. Soviel ich weiß, hatte er keinen Kontakt mit irgendwelchen bösen Mächten. Den großen Hof besitzt er allerdings nicht mehr. Er hat ihn verpachtet und lebt jetzt in einem kleinen Haus am anderen Ende des Dorfes.«
»Ist er verheiratet?« fragte John.
»Er war es. Seine Frau ist gestorben.«
Johns Haltung spannte sich.
»Keine Angst, Herr Oberinspektor.« Der Pfarrer winkte ab. »Dieser Tod war völlig normal. Herzversagen. Es ist jetzt zwei Jahre her. Kinder waren keine da. Tatum Wilson lebt allein in seinem Haus. Hin und wieder kommt eine ältere Frau, die putzt und auch für ihn wäscht. Mich wundert es natürlich auch, daß der Fluch Wilson direkt nicht getroffen hat. Sicher, der Bruder des Alten war in der damaligen Nacht auch dabei gewesen, nur hatte er sich mehr im Hintergrund gehalten. Eigentlich waren der alte Wilson und sein Sohn Tatum die führenden Kräfte gewesen. Und Tatum hat ja auch geschossen.«
John zündete sich eine Zigarette an. »Sie machen einen Denkfehler, Herr Pfarrer«, sagte er, »das ist auch ganz natürlich, da Sie wenig mit Dämonen zu tun haben. Zeit spielt für diese Geschöpfe keine Rolle. Es gibt uralte Flüche, die die Jahrhunderte überdauert haben und plötzlich dann erfüllt wurden, als niemand mehr daran dachte. Es steht längst nicht fest, daß Chandra Tatum Wilson vergessen hat. Er kann von heute auf morgen zuschlagen, und ich meine, mit Ken Kovacs Auftauchen ist ein Signal gesetzt worden. Ich mache deshalb folgenden Vorschlag: Lassen Sie uns zu Tatum Wilson gehen. Ich möchte ihm einige Fragen stellen und auch gern in seiner Nähe sein, falls etwas passieren sollte.«
Der Pfarrer schüttelte den Kopf. »Was sollte ich dagegen haben? Ich bin ja selbst froh, wenn dieser unglückselige Fall einmal gelöst wird.«
»Okay.« John stand auf. »Kommen Sie mit, Mister Fenton?«
»Worauf Sie sich verlassen können, Kollege. Schließlich möchte ich den berühmten John Sinclair einmal in Aktion erleben.«
»Den Spott können Sie sich sparen«, gab John zurück. »Ich würde es mir an Ihrer Stelle jedenfalls nicht wünschen, mich in Aktion zu sehen. Meistens ist dieses nicht gerade angenehm, um es mal positiv auszudrücken.«
Der Pfarrer hatte seinen Mantel geholt und von dem Dialog nichts mitbekommen. »Sollen wir Mister Wilson
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