GK0202 - Der Fluch der schwarzen Hand
wie ihr Sohn langsam die Hand mit dem Messer hob, um seinen ›Vater‹ die Klinge in den Rücken zu stoßen…
***
Was Lord Parson eigentlich gewarnt hatte, wußte er später auch nicht genau zu sagen. Wahrscheinlich war es der heftige Atemzug, der plötzlich seinen Nacken streifte.
Lord Parson fuhr herum.
Dicht vor seinem Gesicht blitzte der tödliche Stahl. Dahinter leuchteten Ritchies Augen in fanatischem Haß.
Lord Parson reagierte blitzschnell und getragen vom instinktiven Überlebenswillen. Sein linker angewinkelter Arm fuhr hoch. Das Handgelenk traf den Messerarm noch in der Stoßbewegung.
Ritchie Parson stöhnte auf. Er wurde gegen die Wand gedrückt und hatte auch Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.
Der Lord setzte augenblicklich nach. Er war nicht mehr zu halten. Jahrelang aufgespeicherter Haß, verborgen gewesen hinter glatter Fassade, kamen voll zum Ausbruch. Er bekam die Messerhand seines ›Sohnes‹ zu packen, drehte sie herum und schmetterte sie gegen die Wand.
Ritchie schrie.
Es war mehr ein haßerfülltes Keifen, das seinen Eltern schrill in den Ohren gellte.
»Laß das Messer fallen!« fuhr der Lord seinen ›Sohn‹ an. »Oder es geschieht ein Unglück!«
Ritchie dachte gar nicht daran. Er wollte unter allen Umständen seinen Auftrag ausführen und stemmte sich gegen Lord Parsons Griff.
»Die Hand soll dir abfallen, du Satan!« keuchte der Lord. »Wer seine Hand gegen die Eltern erhebt…«
Ein höhnisches Lachen ließ ihn innehalten. Ritchie hatte es ausgestoßen. »Du bist nicht mein Vater!« schrie er. »Du nicht. Ich werde dich in die…«
Da schlug Lord Parson zu. Er tat dies mit der linken Hand, und er traf Ritchie ins Gesicht, so daß der Besessene zurückgeschleudert wurde, sich jedoch wieder fangen konnte und sofort wieder auf seinen ›Vater‹ zulief.
Lady Parson hatte die Szene mit schreckensbleichem Gesicht beobachtet. Sie war unfähig, auch nur einen Laut von sich zu geben. Für sie war alles zu plötzlich gekommen. Sie konnte nicht fassen, was sie mit eigenen Augen sah.
Ritchie stürmte heran.
Den rechten Arm mit dem Messer hatte er wieder leicht angewinkelt. Er war ein Ungeübter mit der Waffe, stach zwar nach seinem Vater, doch der Lord konnte ohne große Mühe ausweichen. Einmal nur schlitzte ihm die Klinge den linken Jackettärmel auf, ritzte aber nicht die Haut.
Glück gehabt, dachte der Lord. Und dann bekam er Ritchie zu packen. Seine Arme umklammerten die Hüften des Jungen.
Ritchie begann zu kreischen, fuchtelte mit dem Messer herum, aber da hatte Lord Parson ihn schon hochgehoben und von sich geworfen.
Ritchie Parson segelte auf das Geländer zu.
Lord und Lady Parson sahen alles wie in Zeitlupe.
Ritchie versuchte sich noch am Geländer aufzustützen, hatte aber zuviel Schwung, bekam das Übergewicht und fiel mit einem markerschütternden Schrei in die Tiefe.
Lady Parson begriff zuerst. »Ritchiiieee!« schrie sie, rannte an dem wie erstarrt dastehenden Lord vorbei und dann die Stufen der Treppe hinunter.
»Ritchie! Ritchie!« Immer noch gellte ihr Schrei.
Unten in der Halle kamen der Butler und auch das Dienstmädchen angelaufen. Das Girl stimmte bald in das Geschrei der Hausherrin mit ein. Nur der Butler behielt die Nerven.
So schnell es ging, hetzte er die Stufen hoch.
Er sah Lord Parson an der Wand lehnen. Kalkweiß im Gesicht. Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner hohen Stirn.
»Sir«, sagte der Butler. »Ich glaube, Sie sollten sich jetzt um Ihre Frau und um Ihren Sohn kümmern.«
Lord Parson schien aus einem Tiefschlaf zu erwachen. Verwirrt schüttelte er den Kopf, sah seinen Butler an und fragte: »Was haben Sie eben gesagt?«
James wiederholte die Worte.
»Ja, natürlich. Ich werde gehen.«
Steif und den Körper gerade haltend setzte sich der Lord in Bewegung. Wie eine Marionette ging er die Stufen hinunter.
Die beiden Frauen hatten sich wieder einigermaßen beruhigt. Das Dienstmädchen war in die Küche gelaufen. Sie hatte den Anblick des Jungen nicht mehr ertragen können.
Ritchie lag direkt unter dem großen Kronleuchter. Auf dem Rücken. Sein Kopf war seltsam verdreht.
Ritchie Parson hatte sich bei dem Sturz das Genick gebrochen. Hier konnte kein Arzt der Welt mehr helfen.
Seine Mutter kniete neben ihm. Sie hatte den Kopf erhoben, blickte ihren Mann von unten her an. In ihren Augen schimmerten Tränen, und es lag ein auch unsagbarer Vorwurf darin. Sie schluchzte nicht mehr. Ihr Mund stand halboffen. Tränen
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