GK0202 - Der Fluch der schwarzen Hand
in die Wege«, sagte er. »Sie werden keinen Ärger bekommen.«
Der Konstabler war einverstanden. Der Lord war eben noch eine wichtige Persönlichkeit in dieser Gegend.
»Ich danke Ihnen sehr, meine Herren«, sagte er zum Abschied. »Und – wenn Sie mal etwas haben, Sie können immer auf mich rechnen…«
***
Drei Tage später fand die Beerdigung statt.
Doc Rainford und der Konstabler hatten über die wahren Zusammenhänge geschwiegen. Die Version von einem Unglücksfall hatte im Ort die Runde gemacht, und der Lord tat alles, was in seinen Kräften stand, um diese Behauptung auch zu untermauern.
Einfache Menschen hatten ihn angesprochen und ihr Beileid ausgedrückt. Lord Parson hatte die Kondolenzbezeugungen mit steinerner Miene entgegengenommen und kaum einen Ton gesagt. Er hatte bei manchen Menschen auch eine gewisse Schadensfreude herausgehört. So in der Art: zum Glück trifft es nicht nur die Armen, sondern auch die Leute mit Geld. Aber das hatte den Lord nicht weiter gestört.
Nur seine Frau bereitete ihm Sorgen. Sie hatte in den vergangenen drei Tagen nicht mit ihm gesprochen, sie war ihm bewußt aus dem Weg gegangen und hatte auch auf seine Fragen kaum reagiert. Höchstens mal mit einem Schulterzucken.
Und noch etwas war sehr seltsam gewesen. Lady Parson hatte darauf bestanden, daß der offene Sarg mit ihrem Sohn zu ihr ins Zimmer gestellt wurde.
Während der Nacht hatte Dorothy Parson dann die Totenwache gehalten. Neben dem Sarg, an dessen Kopfende zwei brennende Kerzen standen.
Jetzt allerdings stand der Sarg in der kleinen Leichenhalle.
Geschlossen!
Der Lord hatte darauf bestanden. Niemand sollte den Toten sehen. Die schwarze Hand mußte vor den Augen der Menschen verborgen bleiben.
Um fünfzehn Uhr sollte die Beerdigung stattfinden. Schon seit Stunden regnete es. Ein unangenehmer Nieselregen, der im Laufe der Zeit durch die Kleidung drang und die Trauergäste frösteln ließ.
Vor der Leichenhalle drängten sich die Menschen. Fast alle Bewohner des Dorfes wollten an der Beerdigung teilnehmen. Die Flügeltür der Halle war noch geschlossen. Über ihr brannte eine kleine Laterne, die milchig gelbes Licht verstreute.
Der Himmel war eine einzige graue Masse. Es hatte fast den Anschein, als würden die tiefhängenden Wolken die Spitzen der Bäume berühren, deren weit ausladenden Äste sich wie beschützend über die einzelnen Gräber legten.
Es war von der Anlage her ein schöner Friedhof. Es gab keine langen Grabreihen wie bei den modernen Totenäckern in den Großstädten. Nein, hier war noch alles in einem individuellen Stil gehalten.
Die Gräber lagen verstreut. Wuchtige Grabsteine hatten schon Jahrhunderte überlebt. Die Wege waren ziemlich breit und wirkten sehr gepflegt. Kies verhinderte, daß sie bei Regen zu Matschbahnen wurden.
Links und rechts der kleinen Leichenhalle mit den Rundfenstern standen zwei Trauerweiden. Ihre nach unten gebogenen Zweige wirkten wie riesige Schirme.
Noch eine Viertelstunde dauerte es bis zum Beginn der Trauerfeier. Immer häufiger blickten die Dorfbewohner zur Uhr. Der Lord und seine Frau waren noch nicht erschienen.
Das schmiedeeiserne Tor des Friedhofs stand weit offen. Dahinter führte eine schmale Straße zum Dorf. Die Hausdächer verschwammen im Dunst. Sogar der Kirchturm war nicht klar zu erkennen.
Endlich kamen die Parsons.
Die lange Schnauze des silbermetallicfarbenen Rolls Royce schob sich durch das Tor. James, der Butler, saß hinter dem Lenkrad. Lord und Lady Parson im Fond des Wagens.
Schweigend bildeten die Menschen eine Gasse.
Der Motor des Wagens war kaum zu hören. Nur der Kies knirschte unter den breiten Reifen.
Sanft wurde der Rolls gebremst.
James stieg aus, öffnete einen breiten dunklen Regenschirm und half Lady Parson beim Verlassen des Wagens.
Die Lady war ganz in Schwarz gekleidet. Der eingefärbte teure Nerzmantel reichte bis über die Knie. Der ebenfalls dunkle Hut besaß einen Schleier, der das Gesicht verdeckte.
Die Lady wartete nicht auf ihren Mann, sondern ging geradewegs auf die Leichenhalle zu, begleitet von James, dem Butler, der den Schirm über sie hielt.
Dann stieg der Lord aus.
Die Menschen grüßten und er nickte stumm zurück.
Lord Parson trug einen Zylinder, einen taillierten schwarzen Mantel und einen dunklen Schal. Handschuhe bedeckten seine schmalen Hände.
Der Pfarrer hatte die Tür der Leichenhalle inzwischen geöffnet. Er begrüßte Lady Parson, drückte ihr beide Hände und sprach ihr nochmals
Weitere Kostenlose Bücher