GK053 - Frisches Blut für den Vampir
aber meine Kenntnisse reichen doch aus, um zu erkennen, dass noch Leben in ihm war. Natürlich habe ich sofort den Notdienst verständigt. Und nachher habe ich die Polizei angerufen.«
Der Direktor seufzte. »Ich kann Ihnen nicht sagen, was für ein Schock das für mich war, Shatner halb tot. Das Geld weg. Die Vitrine zerbrochen.«
Tony Ballard nahm die Vitrine in Augenschein. Auf dem kleinen dunkelblauen Samtsockel lag der Schrumpfkopf.
Leblos. Mit geschlossenen Augen.
Tony stellte fest, dass an den dolchartigen Glasspitzen Blut klebte. Es konnte sich hierbei um Shatners Blut oder um das eines Einbrechers handeln.
Der Direktor versicherte Ballard, dass die Polizeibeamten davon eine Probe mitgenommen hatten. Man würde im Labor feststellen, wessen Blut am Glas klebte.
Der Inspektor wies auf den eingetrockneten Kopf.
»Ein recht makabres Ausstellungsstück, finden Sie nicht?«
Joseph Hampshire nickte beipflichtend.
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Inspektor. Wenn es nach mir ginge, befände sich dieses… Ding längst nicht mehr in diesem Raum. Wir haben es mit dem Schloss sozusagen übernommen. Wir mussten uns dem Schlossbesitzer gegenüber verpflichten, diesem ekelhaften Schrumpfkopf eine Art Ehrenplatz einzuräumen. Der Glaser ist bereits verständigt. Noch heute wird das Glas erneuert.«
»Wie heißt der Schlossbesitzer?«, wollte Tony Ballard wissen.
»Frederick Hepburn.«
»Und weshalb legt er solch großen Wert darauf, dass dieser Kopf hier bleibt?«
»Das ist eine recht seltsame Geschichte, Inspektor, die ich selbst nicht glauben kann. Dieser Kopf soll einem Vampir namens Christopher Hood gehört haben, der vor etwa zweihundert Jahren hier in unserer Gegend gemordet hat. Eines Tages suchte er Mr. Hepburns Ahnen auf. Tiffany Hepburn wäre beinahe sein Opfer geworden. Dem mutigen Einschreiten ihres Gemahls, Delmer Hepburn, ist es zu verdanken, dass sie nicht das Opfer dieses Vampirs wurde. Delmer Hepburn hat dem Blutsauger mit einem Sarazenenschwert den Kopf abgeschlagen. Und aus eben diesem Kopf hat Delmer Hepburn dann den Schrumpfkopf gemacht, den Sie hier vor sich sehen. Man sagt, dass der Vampir immer noch lebt und dass es passieren kann, dass er eines Tages wieder zu morden beginnt. Ich finde, dass dies reiner Unsinn ist. Trotzdem habe ich mich Mr. Frederick Hepburn gegenüber verpflichtet, den Kopf ständig unter Glas zu halten.«
Sie kamen wieder auf Leonard Shatner zu sprechen, und Tony Ballard wollte wissen, ob der Pförtner in der Lage gewesen war, die Einbrecher zu beschreiben.
Joseph Hampshire verneinte das. Shatner sei bis zu seinem Abtransport ins Krankenhaus nicht wieder zu sich gekommen.
Nun bat der Inspektor den Direktor, die Lehrer hereinzubitten.
Unter anderem machte Tony Ballard die Bekanntschaft mit dem Lehrer für Naturwissenschaften – William Doohan – einem zynischen Pfeifenraucher und streitsüchtigen Besserwisser.
»Ich habe ja immer gesagt, dass man so viel Geld nicht in diesem Safe aufbewahren soll. Aber man hat nicht auf mich gehört«, stellte er gleich klar.
Doohan hatte eine spitze Nase, riesige Füße und leichte O-Beine. Die Zähne, die ständig in das Pfeifenmundstück bissen, waren nicht echt.
Er ließ an keinem an gutes Haar. Nicht einmal an den Pförtner, den er einen unfähigen Kerl nannte, weil er sich von Einbrechern hatte fast erschlagen lassen.
Natürlich kam auch der Lehrer für Mathematik und Turnen bei Doohan nicht gut weg. Er nannte Matt Craner in dessen Gegenwart einen aufgeblasenen Gimpel, dessen Eitelkeit zum Himmel stinke.
Tony Ballard machte sich von Matt Craner ein eigenes Bild. Der Mann wirkte solide, wirkte elegant, fiel nicht unangenehm auf. Er hatte ein gesundes, sonnengebräuntes Gesicht und einige Silberfäden im Haar, die ihn für die Damen des Lehrkörpers sicherlich recht interessant machten.
Eine von diesen Damen war die Brillenträgerin Susan Manson.
Tony merkte sofort, dass diese blonde Frau mit den attraktiven Beinen und der schmalen Taille für Matt Craner schwärmte, sich dies aber in der Öffentlichkeit nicht anmerken lassen wollte.
Man gab sich untereinander ziemlich gereizt und unwillig.
Niemand ließ gern ein gutes Haar an seinem Kollegen. Dass in diesem Institut jeden Tag neue Intrigen gesponnen wurden, kam heute ganz deutlich ans Tageslicht.
Niemand von den Lehrern und Lehrerinnen hatte die Einbrecher gehört oder gesehen.
Als das feststand, verabschiedete sich Tony Ballard von ihnen. Er war froh, draußen
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