GK095 - Fahrstuhl in die Hölle
Lifts ganz allgemein nicht leiden konnte – oder steckte mehr dahinter? Wesentlich mehr?
***
Die erste Nacht in der neuen Wohnung.
Als Vicky sich zu mir ins Bett legte, roch sie betörend nach Apfelblüten. Sie kuschelte sich an mich. Ich war jedoch mit meinen Gedanken nicht bei ihr. Aber sie brachte mich soweit, daß ich an sie dachte. Und nur noch an sie.
Unsere Lippen fanden sich zu einem nicht enden wollenden Kuß.
Wir versanken beide in himmlischem Vergessen…
Zwei Stunden später lag ich immer noch wach auf dem Rücken.
Vicky schlief fest neben mir. Mit tiefen, regelmäßigen Atemzügen. Ihr hübsches Gesicht war entspannt.
Der Mond strahlte darauf und ließ ihre Wangen silbrig glänzen.
Und ich konnte nicht einschlafen. Ich starrte zur Decke, hatte das Gefühl, sie würde sich langsam senken und mich bald erdrücken.
Das war natürlich Unsinn.
Die Decke blieb oben. Ich hatte nichts von ihr zu befürchten.
Ich wurde mit meinen Problemen nicht fertig. Ich wußte, daß ich endlich den entscheidenden Schritt machen mußte, wußte aber nicht, in welche Richtung.
Eine Möglichkeit drängte sich mir förmlich auf: Der Fahrstuhl.
Verdammt, mit dem stimmt irgend etwas nicht , dachte ich.
Barg der Fahrstuhl jenes Geheimnis, hinter das ich kommen wollte?
War er der Schlüssel?
Das Vorzimmer zur Hölle?
Plötzlich hielt ich es nicht mehr im Bett aus. Mir war, als würde unter meinem Hintern das Laken brennen.
Sanft glitt ich aus dem Bett. Wenigstens Vicky sollte schlafen.
Ich wußte noch nicht, was ich vorhatte. Wollte ich aus der Wohnung gehen? Aus dem Haus? In der Gegend herumirren? Darauf warten, daß mir solch ein seltsamer Mörder über den Weg lief? Mit einer Axt in der Hand, mit der er mir den Schädel spalten wollte!
Oder hatte ich bloß die Absicht, ins Wohnzimmer zu gehen, einen Schnaps zu trinken und mich hinterher wieder zu Bett begeben?
Ich wußte es nicht.
Was ich tat, machte ich ziemlich mechanisch. Ohne viel zu überlegen.
Ich kleidete mich vollständig an.
Und nicht nur das. Ich nahm auch die Schulterhalfter und den Colt Diamondback. Sogar eine Menge Reservepatronen stopfte ich in meine Taschen. Niemand darf mich fragen, warum ich das tat. Es geschah nahezu ohne mein Wissen. Ich traf sozusagen mit meinem Unterbewußtsein irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen.
Als ich ausgehfertig war, begann mein Geist wieder zu arbeiten.
Ich stand vor dem Spiegel und schaute mich an.
Du gehst fort! , dachte ich. Fort von Vicky. Laß sie wissen, wohin du gehst.
Ich holte Kugelschreiber und Papier.
Dann überlegte ich, was ich für eine Nachricht hinterlassen sollte.
Ich schrieb. Und wieder setzte diese verdammte Mechanik ein.
Ich schrieb, daß ich mir den Fahrstuhl genauer ansehen würde. Und wenn ich nicht in den nächsten vierundzwanzig Stunden wiederauftauchen sollte, wäre es ratsam, die Polizei zu verständigen, denn dann wäre irgend etwas schiefgelaufen.
Ich nahm meiner Freundin brieflich das Versprechen ab, mir nicht zu folgen.
Vielleicht war das alles Unsinn, was ich niederschrieb, aber ich kritzelte es trotzdem auf das Papier.
Hinterher fügte ich hinzu, daß mir Vicky nicht böse sein solle wegen dieser Geheimniskrämerei, es geschähe alles nur, um sie nicht unnütz in Gefahr zu bringen und: »Ich liebe dich!« Das schrieb ich so oft, bis kein Platz mehr auf dem Zettel war.
War das ein Abschiedsbrief?
Es sah beinahe so aus.
***
Nun stand ich in der Halle.
Mein Herz hämmerte aufgeregt gegen die Rippen. Der Fahrstuhl erschien mir wie ein Feind. Ich fühlte, daß alles Böse von ihm ausging.
Und ich wollte sein schreckliches Geheimnis erforschen.
Entschlossen trat ich auf die Lifttüren zu. Ich drückte auf den Rufknopf. Es war mir, als könne ich mit diesem Knopfdruck nun nichts mehr rückgängig machen.
Ging ich in den Tod?
Das war nicht mit Sicherheit zu verneinen. Was in diesem Fahrstuhl auf mich wartete, vermochte keiner zu sagen. Ich am allerwenigsten.
Er kam im Erdgeschoß an.
Die Türen glitten auseinander. Ich fühlte mich vom Fahrkorb unwiderstehlich angezogen. Es wäre mir nicht mehr möglich gewesen, mich umzudrehen und einfach wegzugehen. Ich wollte das auch gar nicht. Aber mir war klar, daß es mir gewiß nicht gelungen wäre.
Das war irgendeine raffinierte Falle.
Errichtet von einem Dämon, der mir noch unbekannt war.
Eine Falle, in die bereits vier Menschen gegangen waren.
Als ich im Fahrkorb stand, schlossen sich die Türen hinter mir wie von
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