GK095 - Fahrstuhl in die Hölle
kraftstrotzende Folterknechte. Breitschultrig. Mit kurzen roten Stoffhosen bekleidet. Ihre nackten Waden waren genauso muskulös wie ihre nackten Arme. Mein ganzer Haß galt ihnen.
Sie beachteten mich nicht, obwohl sie gesehen hatten, daß ich bei Bewußtsein war.
Sie lachten nur und verließen dieses naßkalte Gefängnis wieder.
Die Tür knallte zu. Ich war allein. Allein mit einem wimmernden, stöhnenden und röchelnden Mädchen.
Ich warf die klirrenden Ketten fort.
Dann robbte ich auf das Mädchen zu. Mißtrauisch schielte ich zur Tür. Ich war nicht sicher, ob diese Folterknechte nicht die Möglichkeit hatten, mich zu beobachten.
Aber ich hörte ihre Stimmen, die sich entfernten.
Das Mädchen tat mir schrecklich leid.
Ein Schüttelfrost beutelte ihren zerschundenen Körper. Sie roch nach Blut. Und nach Schweiß. Und nach Tränen. Sie jammerte leise. Ich streckte zaghaft die Hand aus, strich ihr übers wirre, zerzauste Haar. Dabei spürte ich Beulen an ihrem Kopf.
Diese verfluchten Kerle hatten sie fürchterlich mißhandelt.
Sie bemerkte mich nicht, war allein mit ihrem wahnsinnigen Schmerz, der sich über ihren gesamten Leib erstreckte.
Der Stoff ihres Kleides war grob gewebt.
So, wie sie gekleidet war, hatte man sich vor vielen hundert Jahren angezogen.
Mehr und mehr kam ich zu der Überzeugung, daß ich dahin geraten war, woher diese seltsamen Äxte gekommen waren.
Ich mußte mich im zwölften Jahrhundert befinden. Das bewiesen diese grauenvollen Folterknechte. Das bewies vielleicht auch dieses Verlies, das bewies zum Teil auch die Kleidung des gefolterten Mädchens.
Nun weinte sie.
Zitternd, schluchzend, haltlos.
Ich wußte nicht, wie ich ihr helfen sollte. Ich hatte nichts bei mir, womit ich ihre Wunden behandeln konnte.
Nicht einmal tröstende Worte fielen mir ein. Aber zum Teufel mit tröstenden Worten. Die hätte sie nicht gebrauchen können. Mit diesen höllischen Schmerzen überall am Leib ist man an schönen Worten nicht interessiert.
Es dauerte lange, bis sie sich beruhigte. Immer noch hatte sie mich nicht bemerkt. Ich saß neben ihr auf dem Boden und wartete mit vibrierenden Nerven.
Sie schlief erschöpft ein.
Nach einer Stunde erwachte sie. Ich hatte ihren Kopf in meinen Schoß gebettet.
Sie richtete sich erschrocken auf.
Als sie merkte, daß ihre Brüste nackt waren, bedeckte sie sie mit ihren zitternden Händen.
Sie schaute mich verstört an. Sie schien sich vor mir zu fürchten. Ich lächelte, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
»Wer bist du?«, fragte sie mich. Jedes Wort schmerzte sie im Hals.
»Ich heiße Tony Ballard«, sagte ich sanft. »Und wie heißt du?«
»Dodo Ferguson.«
»Ich habe gesehen, wie sie dich hierherbrachten.«
Dodo schaute sich an. Ich hatte ihr Blut mit Speichel und mit meinem Taschentuch abgewaschen. Es war nicht besonders gut gegangen. Aber nun sah sie nicht mehr ganz so schlimm aus. Die Schrammen und Striemen waren aber auch jetzt noch tief und bestimmt äußerst schmerzhaft.
»Sie… sie haben dich gefoltert«, sagte ich leise.
Dodo Ferguson nickte. Sie sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Angst und Neugier las ich heraus. Aber es war noch viel mehr darin.
»Warum?«, fragte ich.
»Wie?«
»Warum haben sie dich gefoltert?«
»Wer bist du, Tony Ballard? Wieso bist du so seltsam angezogen?« Während sie mich das fragte, versuchte sie ihr Kleid in Ordnung zu bringen. Irgendwie gelang es ihr, den Stoff so festzumachen, daß er ihren Busen verdeckte.
»Ich bin normal gekleidet«, sagte ich.
»Ich habe noch niemanden gesehen, der so gekleidet war!«
»In welchem Jahrhundert lebst du?«
»Im zwölften. Du doch auch.«
»Dies ist die Kleidung des zwanzigsten Jahrhunderts, Dodo.«
Das Mädchen schaute mich verwirrt an.
»Kannst du in die Zukunft sehen?«
»Ich könnte dir das vielleicht erklären, aber es würde zu lange dauern. Wie lange bist du schon hier, Dodo?«
»Sie haben mich vor einem Monat hierhergebracht.«
»Weshalb?«
»Sie sagen, ich wäre eine Hexe.«
»Bist du eine?«
»Nein.«
»Und nun foltern sie dich so lange, bis du zugibst, daß du eine Hexe bist, nicht wahr?«
»Ja.«
Um mich herum drehte sich alles. Was stürmte da auf mich herein? Ich befand mich mitten im zwölften Jahrhundert. Ein ganz gewöhnlicher Fahrstuhl hatte mich hierhergebracht. Das war doch wahnsinnig. Und doch war es Tatsache. Dieses Mädchen bewies es. Diese Umgebung bewies es.
Ein verfluchter Dämon trieb sein böses Spiel
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