GK099 - Das Bildnis des Samurai
Hände zu verkrampften Fäusten geballt.
Sobald der Dämon frei war, holte er mit wenigen weiten Sätzen seinen Dolch.
Mit mordlüstern funkelnden Augen kam er dann auf mich zu.
Ich wartete lauernd ab.
Er zitterte und vibrierte vor Hass. Die Augen waren blutunterlaufen.
Aber ich ließ mich von diesem Anblick nicht einschüchtern.
Ich war Schlimmeres gewöhnt.
Ich sah, wie er die kräftigen Muskeln spannte. Gleich würde der nächste Angriff erfolgen.
Da flog er schon auf mich zu.
Was ich einst in der Polizeischule gelernt hatte, kam mir jetzt sehr zustatten.
Als die Bestie heran war, setzte ich zu einem lupenreinen Judowurf an.
Ich riss mein rechtes Bein hoch, stemmte es dem heranfegenden Kerl in die Seite, packte ihn vorn am Jackett, ließ mich augenblicklich fallen und schleuderte ihn, seinen Schwung ausnützend, über mich hinweg nach hinten.
Ein krächzender Schrei entrang sich seiner Kehle.
Was passierte, hatte ich nicht beabsichtigt. Ich hatte einfach keine Zeit gehabt, zu überlegen.
Mir tat aber auch nicht leid, was geschah.
Der furchtbare Teufel flog mit ungeheurem Schwung in weitem Bogen aus dem offenen Fenster!
Ich sprang atemlos auf die Beine.
Er schlug unten auf der Straße auf. Das Aufprallgeräusch ging mir durch Mark und Bein.
Ich lief ans Fenster.
Er lag mit verrenkten Gliedern auf dem Asphalt. Keuchend sprang ich in meine Kleider.
Dann sauste ich aus dem Zimmer.
Als ich die Stelle erreichte, wo der Dämon wie ein Stein aufgeschlagen war, packte mich eine eiskalte Faust im Nacken und drückte brutal zu.
Die Stelle war leer.
Der Dämon war verschwunden.
Ich konnte kein Blut entdecken. Nicht die geringste Spur.
Bestürzt blickte ich nach oben. Vicky stand am Fenster.
Der Kerl konnte den Sturz aus dem achten Stock unmöglich überlebt haben.
Trotzdem war er nicht mehr da.
Obwohl ich wusste, wozu Dämonen fähig sind, traf mich diese Wendung doch wie ein Keulenschlag.
***
Als ich in unser Zimmer zurückkehrte, war Mr. Silver da. Schweiß perlte auf meiner Stirn.
»Alles in Ordnung, Tony?«, fragte mich der Hüne.
»Ja, Silver!«, seufzte ich. »Ich bin okay.«
Vicky hatte ihm erzählt, was passiert war. Er machte sich Vorwürfe.
»Wenn ich nicht so tief geschlafen hätte, hätte ich das Scheusal rechtzeitig gewittert!«
»Was soll, das, Silver?«, brummte ich. »Jeder hat das Recht auf Schlaf. Auch du.«
»Ich hätte es mir nie verziehen, wenn dieser Bestie ihr Vorhaben geglückt wäre, Tony.«
Vicky saß im Morgenmantel auf dem Bett. Sie zitterte immer noch vor Aufregung.
Ich schüttelte ärgerlich den Kopf. »Weißt du, was mir nicht einleuchten will, Silver?«
»Was?«
»Dass dieser Kerl den Sturz aus dieser Höhe so einfach verdaut hat.«
»Er ist ein Dämon.«
»Viele Dämonen wären daran zugrunde gegangen.«
»Das ist richtig. Aber nicht alle. Du weißt, dass nicht jeder Dämon auf die gleiche Weise umzubringen ist, Tony. Einem Vampir zum Beispiel muss man einen Holzpfahl ins Herz stoßen. Ein Werwolf ist nur mit Silber zu töten. Manchem Dämon muss man das Genick brechen, andere wieder muss man zerstückeln. Angenommen, dieser Kerl wäre nur durch Brechen seines Genicks zu beseitigen. Dann kann es ihm beim Aufprall alle Knochen im Leib zerschmettern, es macht ihm nichts aus, solange das Genick heil bleibt…«
Ich ballte die Fäuste.
»Gott, wie ich sie hasse! Manchmal bin ich nahe am Verzweifeln. Ob es mir je gelingen wird, dieses Heer des Satans zu vernichten? Es sind so viele. So entsetzlich viele, Silver.«
***
Superlative am Fließband - das ist Tokio, ein Symbol des Japan von heute. Ein Schmelztiegel, in dem sich Orient und Okzident treffen, Vergangenheit und Zukunft mischen.
Die Betonkolosse der Hochhäuser, nüchtern und hässlich, schießen neben den kleinen Häuschen aus Holzplatten und Pappe empor. Übergangslos steht Altes neben Modernem. Das zarte Licht der Lampions vermischt sich mit grellem Neonglanz. An einem alten Shinto-Schrein rasen moderne Trolleybusse vorbei.
Wir waren auf der Suche nach Akihito Togos Horrorpuppen-Werkstatt, von der uns Tucker Peckinpah erzählt hatte.
Der Tag war trübe.
Mr. Silver und ich hockten unausgeschlafen im Fond des Taxis.
Jeder hing seinen Gedanken nach.
Wir hätten in der vergangenen Nacht nur noch wenige Stunden geschlafen.
Wir hatten viel debattiert. Wir hatten Pläne geschmiedet, wieder verworfen, neue besprochen.
Während des Frühstücks hatte Mr. Silver mir erklärt, dass sein sechster
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