GK225 - Die Puppen mit den Todeskrallen
»Ach, vergessen Sie’s. Es war bloß so ein Gedanke… Fühlte sich mein Vater irgendwie bedroht?«
»Nun ja. Hin und wieder rissen Capones Leute ihr loses Maul ein bißchen zu weit auf. Dann redeten sie davon, daß sie Ihren Vater irgendwann mal in die Wüste schicken würden, wenn er sich nicht bald zum Verkauf des Sägewerks entschließen könne… Aber effektiv vergriffen hat sich keiner an dem alten Herrn.«
»Trotzdem hat er sich ein Gewehr zugelegt.«
»Für alle Fälle. Und zur Abschreckung«, sagte Nicholson. »Er hat’s überall in Wantage herumerzählt, daß er sich eine Schrotflinte gekauft hatte, und daß er jedem eine gewaltige Ladung in den Pelz brennen würde, der nichts in der Nähe seines Sägewerks zu suchen hatte.«
Wieder sah Ross auf seine Uhr. »Jetzt muß ich aber wirklich… Eine letzte Frage noch, Leslie …«
»Und die wäre?«
»Da draußen… mitten im Wald … das Sägewerk ist eine verdammt einsame Sache. Ich bin ein miserabler Schütze … Wahrscheinlich würde ich einen Elefanten auf drei Meter Entfernung nicht treffen … Also, was ich sagen will, ist folgendes: Ein Wachhund wäre keine so schlechte Sache, was meinen Sie dazu?«
Nicholson nickte schmunzelnd. »O ja. Ein scharfer Hund würde auf Capones Leute sicherlich großen Eindruck machen, Hector.«
»Wissen Sie, wo ich einen solchen Hund kaufen kann?«
»Versuchen Sie’s doch mal beim alten Pendrake. Der züchtet deutsche Schäferhunde und richtet sie auch ab.«
Ross nickte kurz. »Ich werd’ mal bei ihm vorbeisehen. Vielen Dank für den Tip.«
***
Er bekam ein Prachtexemplar. Schön, jung, groß und kräftig. Mit einem weichen, seidigen Fell und scharfen Reißzähnen, auf den Mann dressiert und äußerst folgsam. Der alte Pendrake hatte dem Tier den Namen »Gordon« gegeben. Ross fand zwar, daß das kein Hundename war, aber er änderte ihn nicht, da sich das Tier daran gewöhnt hatte. Gordon war gefährlicher als eine Waffe. Ein knappes Kommando von Ross hätte genügt, und der Hund hätte jeden niedergerissen, der seinem neuen Herrn ein Leid zufügen wollte.
Und dann kam die Beerdigung.
Der kleine Friedhof von Wantage konnte die vielen Menschen, die gekommen waren, um Norton Ross das letzte Geleit zu geben, kaum fassen. Nicholson und Galatea standen neben ihrem neuen Chef. Auch Inspektor Gladstone und Sergeant Stevens waren gekommen. Und natürlich fehlte auch Brian Capone mit seinen Männern nicht.
Capone, das war eine dicke, aufgeblasene Schmeißfliege mit qualligen Augen und fleischigen Wulstlippen. Der Mann war kurzatmig, trug an jedem dicken Finger einen teuren Ring und protzte mit einer goldenen Uhrkette, die sich quer über seinen kugelrunden Bauch spannte.
Der Pfarrer hielt eine kurze, kaum ergreifende Rede. Hector ärgerte sich maßlos darüber.
Langsam sank danach der schwarze Sarg ins Grab.
Ross warf ein Schäufelchen Erde hinterher. Nicholson und Galatea folgten seinem Beispiel. Hector schwor seinem Vater im Geist, das Sägewerk weiterzuführen, und sollte Brian Capone auch nur im entferntesten mit dem Tod des alten Mannes zu tun gehabt haben, so würde er ihn, sobald das erwiesen war, persönlich zur Rechenschaft ziehen.
Die Trauernden defilierten an Hector Ross vorüber. Man kondolierte ihm. Er dankte mit finsterer Miene.
Als Ross den Friedhof verließ, vernahm er eine scharfe Stimme, die seinen Namen rief. Er blieb stehen. Nicholson und Galatea waren bei ihm. Brian Capone kam mit schweren Schritten auf ihn zu. Hectors Herz fing sofort heftig zu klopfen an. Haß prickelte in seinen Adern. Es kostete ihn viel Mühe, nach außen hin ruhig zu erscheinen.
Capone blieb knapp vor ihm stehen.
Sie starrten einander einen Moment in die Augen und wußten, was sie füreinander empfanden.
»Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen, Hector«, sagte Capone eisig.
Ross nickte stumm, dankte nicht.
»Werden Sie bald wieder nach Kanada zurückkehren?« forschte Capone mit schmalen Augen.
Ross schüttelte den Kopf. »Kanada gehört der Vergangenheit an. Meine Zukunft ist Wantage.«
Diese Antwort nahm Capone mit großem Mißfallen zur Kenntnis. Er schnaufte kurz und sagte dann: »Ihr armer Vater hat sich zu Tode geschuftet. Nur drei Mann in einem dermaßen überalteten Sägewerk… Ich hoffe, Sie werden nicht denselben Fehler machen wie Ihr Vater, Hector. Norton Ross könnte wahrscheinlich noch leben, wenn er mein Angebot angenommen hätte. Genaugenommen hat ihn sein eigener Betrieb
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