GK228 - Das Tribunal der Dämonen
Waggon Nummer drei zu besetzen. Dorthin war er jetzt unterwegs. Er stolperte über die faustgroßen Steine, die auf dem Bahndamm lagen, und erreichte den ersten Waggon. Hier war Ritchie Badmin auf dem Posten. Waggon zwei unterstand Joe Napels. Sie hatten darauf zu achten, daß keiner der Reisenden aus dem Zug sprang und das Weite suchte. Vorläufig bestand diese Gefahr noch nicht. Aber sie würde kommen, wenn der Zug erst mal eine Weile stand und die Leute begriffen, in was für ein Dämonenspiel sie da hineingeraten waren.
Dunlop kletterte die Stufen von Waggon drei hoch.
Als er die Tür aufmachte, fragte ihn ein dürrer Bursche: »Wer sind Sie denn?«
»Ich bin der Streckenwärter.«
»Können Sie uns sagen, was los ist? Wir machen uns Sorgen.«
Die Leute, die hinter dem Dürren standen, nickten mit großen Augen.
»Der Zug hat einen technischen Defekt, der aber in wenigen Minuten behoben sein wird«, log Dunlop.
»Es gibt wirklich keinen anderen Grund?« fragte der Dürre mit schmalen Augen. »Man liest so viel in den Zeitungen. Terroristenüberfälle. Geiselnahmen…«
Dunlop lachte. »Daß die Leute immer gleich an so schlimme Dinge denken müssen. Ich kann Sie ehrlich beruhigen. Niemand braucht sich Sorgen zu machen. Die Fahrt wird bestimmt gleich fortgesetzt.«
Die Leute atmeten sichtlich erleichtert auf. Ferdy Dunlop schickte sie in ihre Abteile. Der Dürre war jedoch störrisch. Er ging nicht. Er war nervös, nagte an seiner Unterlippe und trommelte unruhig mit den Fingern an die Wand. Er war der einzige, der instinktiv witterte, daß etwas faul an dieser Geschichte war. Mißtrauisch musterte er den Streckenwärter. »Sie verheimlichen uns irgend etwas, stimmt’s?«
»Was sollte ich Ihnen denn verheimlichen?« fragte Dunlop unschuldig.
»Was haben Sie als Streckenwärter in diesem Waggon zu suchen? Das ist doch nicht normal, oder? Sie gehören an die Strecke. Nicht in den Zug.«
»Ich habe die günstige Gelegenheit wahrgenommen, um ein Stück mitzufahren«, schwindelte Dunlop weiter. Der Dürre konnte ihm nicht das Gegenteil beweisen. »Sonst hätte ich mit dem Fahrrad nach Hause fahren müssen.«
»Um was für einen Defekt handelt es sich?«
»Ich kenne mich bei diesen Dingen nicht aus.«
»Wie können Sie dann behaupten, daß er in wenigen Minuten behoben sein wird?«
»Das habe ich vom Zugführer.«
»Vielleicht braucht er Hilfe.«
»Sie helfen ihm am meisten, wenn Sie den Waggon nicht verlassen«, sagte Dunlop ernst. Er machte sich auf eine Auseinandersetzung gefaßt. »Der Mann ist ein alter Routinier. Er weiß, was zu tun ist. Und wenn er Hilfe benötigen sollte, wird er uns das wissen lassen.«
»Ich seh mal nach!« entschied der Dürre nervös. Diese Ungewißheit konnte er nicht länger ertragen.
»Sie werden den Waggon nicht verlassen!« sagte Dunlop schneidend.
Der Dürre blickte ihn verwundert an. »Sagen Sie mal, was nehmen Sie sich mir gegenüber eigentlich heraus? Wer sind Sie denn, daß Sie mir sagen dürfen, was ich tun und was ich lassen muß?«
Dunlop stellte sich dem Dürren mit finsterer Miene in den Weg.
»Gehen Sie zur Seite!« knurrte der Reisende ärgerlich. »Spielen Sie sich hier nicht auf, sonst können Sie was erleben!«
»Sie werden gleich etwas erleben, wenn Sie nicht schleunigst Dampf ablassen!« fauchte Ferdy Dunlop.
»Ihnen ist wohl nicht ganz gut, wie?«
»Begeben Sie sich in Ihr Abteil.«
»Sie haben mir keine Befehle zu erteilen, verstanden?« Der Dürre rempelte Ferdy Dunlop zur Seite. »Weg da!«
Er stürmte auf die Tür zu und wollte sich nach draußen schwingen. In diesem Moment bildete sich in Dunlops hohler Hand eine grell leuchtende Kugel. Der Magere zuckte herum, als er das Strahlen bemerkte. Er war geblendet und riß die Arme hoch. Dunlop schleuderte die Kugel nach dem Mann. Er traf die Stirn des Dürren und sie zerplatzte mit einem dumpfen Laut. Der Reisende stieß einen krächzenden Schrei aus, zuckte heftig, als liefen kräftige Stromstöße durch seinen Leib, Schaum flockte mit einem Mal auf seinen Lippen, seine Gliedmaßen verdrehten und verkrampften sich, er brach bewußtlos zusammen – und er würde so lange bewußtlos bleiben, wie Ferdy Dunlop es wollte.
***
Der Schrei des Dürren lockte einige Leute aus ihrem Abteil. Sie blickten mit erschrockenen Augen auf den Mann und schauten danach Dunlop fragend an. Der Streckenwärter winkte zwei Männer herbei. Sie kamen mit teigigen Gesichtern angeschlichen.
»Was ist mit ihm?«
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