GK231 - Der Herr der Ratten
unwillkürlich die Fäuste.
Verdammt, es war Zeit, daß diesem Teufel das Handwerk gelegt wurde. Dreißig Jahre lang mochte dies seine Insel gewesen sein.
Doch nun war sie das nicht mehr. Sie gehörte ab sofort den Heimkehrern. Für ihn war auf dem Eniwetok-Atoll kein Platz mehr. Ich mußte dafür sorgen, daß er von hier verschwand. Erstens war das mein Job, und zweitens hatte ich das Gefühl, diesen friedliebenden Insulanern etwas schuldig zu sein.
Nachdem sich die ärgste Aufregung gelegt hatte, kamen plötzlich zwei Soldaten angetrabt. Sie bauten sich vor John Collins auf und meldeten: »Sir, Golombek ist verschwunden. Das Beben hat am Haus des Iroij schwere Schäden angerichtet. Die Tür fiel aus den Angeln. Ali Golombek hat die Chance sofort genützt und ist ausgerückt!«
***
Sie suchten ihn drei Stunden lang.
Ohne Erfolg. Der Morgen zog blaugrau über das Atoll, als die Suche vorläufig eingestellt wurde. John Collins schluckte eine Schlaftablette und machte seinen Leuten klar, daß er bis elf Uhr dreißig nicht belästigt werden wollte. Dann ging er zu Bett.
Trotzdem schlief er sehr unruhig. Alpträume quälten ihn. Er warf sich hin und her, atmete schwer und stieß manchmal kurze, verzweifelte Schreie aus.
Ihm war heiß. Er warf die Decke ab. Schweiß brach ihm trotzdem aus allen Poren, und es war ihm, als hocke eine schwere Gestalt auf seinem Brustkorb. Er wehrte sich verzweifelt gegen sie. Doch sie griff mit behaarten Händen nach seinem Hals und würgte ihn.
Krächzend fuhr er hoch.
Benommen blickte er auf seine Uhr. Es war zehn. Und er war allein. Schaudernd dachte er an sein Traumerlebnis. Es war so furchtbar echt gewesen. Als hätte tatsächlich jemand auf seiner Brust gesessen.
Nervös wischte sich Collins den Schweiß vom Gesicht.
Er hatte Angst, sich noch einmal hinzulegen. Er fürchtete, daß dieser unheimlich realistische Traum dann seine Fortsetzung finden würde. Unschlüssig saß er im Bett. Hinter dem kleinen bunten Vorhang strahlte die heiße Südseesonne. Mit einem Mal war John Collins der Ansicht, es hätte keinen Sinn zu versuchen, bis elf Uhr dreißig weiterzuschlafen. Vermutlich würde er eine halbe Stunde brauchen, um abschalten zu können. Dann blieb ihm nur noch eine Stunde Schlaf. Er beschloß, darauf zu verzichten.
Schon schwang er die Beine aus dem Bett. Er stieg in die Pantoffeln und stand auf.
Gähnend dehnte er seine Glieder.
Schritte näherten sich seiner Tür. Jemand klopfte. Collins war ärgerlich.
Zum Teufel, er hatte doch ausdrücklich gesagt, er wolle bis elf Uhr dreißig nicht gestört werden. Gut, er war wach und schon auf den Beinen. Aber das konnte der Mann dort draußen nicht wissen.
Der Kapitän zog seinen Schlafrock an und rief mit mürrischer Stimme: »Ja. Kommen Sie herein!«
Die Tür öffnete sich, und John Collins traute seinen Augen nicht.
Da spazierte doch tatsächlich der Mann herein, der von den Suchmannschaften bis zum Morgengrauen nicht gefunden werden konnte.
Ali Golombek!
***
Der kleine dickliche Soldat, über den sich immer alle lustig machten, hatte sich auf eine seltsame Weise verändert.
Sein Gesicht wirkte schlaff und grau. In seinen Augen war überhaupt kein Ausdruck. Leblos wie eine Puppe war er. Und er bewegte sich auch so. Er bewegte sich so eckig und zuckend wie eine Marionette, die jemand in diesem Augenblick an unsichtbaren, aber dennoch vorhandenen, Fäden zur Tür hereinführte.
»Golombek!« stieß John Collins verwirrt hervor.
Alis rechtes Bein zuckte rückwärts. Die Tür bekam einen Stoß und flog mit einem dumpfen Knall ins Schloß.
»Mann, man hat Sie wie die Stecknadel im Heuhaufen gesucht«, sagte der Kapitän ernst. »Wo haben Sie denn gesteckt?«
Golombek gab keine Antwort.
»Antworten Sie gefälligst, wenn ich Sie etwas frage!« schrie Collins den kleinen Soldaten zornig an.
Golombeks Augen starrten weiterhin ins Leere. Er machte zwei eckige Schritte auf den Kapitän zu.
»Sie wollen sich wohl über mich lustig machen, wie?« herrschte John Collins Ali an.
Dieser hob mit einer puppenhaften Bewegung den rechten Arm.
»Hören Sie, was soll denn das, Golombek? Wie lange wollen Sie mir noch den mechanischen Mann vorspielen? Finden Sie das für einen Mann in Ihrem Alter denn nicht reichlich albern? Ich darf doch wohl ein bißchen mehr Ernst von Ihnen verlangen, oder? Erinnern Sie sich an den Vorfall von der vergangenen Nacht?«
Golombek schwieg.
»Sie wollten sich das Leben nehmen. Wir mußten Sie in
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