GK283 - In den Katakomben von Wien
hervor. »Ist dir denn nicht klar, daß dieser verdammte Kerl – wer immer es sein mag – dich in die Falle locken will?«
»Hältst du mich für so dämlich, daß ich nicht allein dahintersteige?« gab ich ärgerlich zurück.
»Und obwohl du weißt, was dich auf diesem Friedhof erwartet, hast du die Absicht, allein hinzufahren?«
»Läßt der Kerl mir denn eine andere Wahl? Er bringt Vladek um, wenn ich nicht nach seiner Pfeife tanze. Könntest du das verantworten? Ich könnt’s nicht.«
»Wenn ich…«
»Nein, Silver. Du bleibst hier.«
»Du weißt doch noch gar nicht, was ich sagen will! Nimmst du Vladeks Wagen?«
»Ja.«
»Ich könnte mich in den Kofferraum legen…«
»Vielleicht ist dieser Kerl in der Lage, durch Blech zu sehen, dann entdeckt er dich und macht Vladek umgehend fertig, weil ich seine Bedingungen nicht erfüllt habe. Das ist mir zu riskant. Mir wäre natürlich auch lieber, wenn wir dem Burschen gemeinsam auf die Zehen treten könnten, aber ich muß in erster Linie an Vladeks Sicherheit denken. Die ist nur dann gewährleistet, wenn ich mich an die Weisungen des Anrufers halte. Und damit Vladek nichts zustößt, was nicht mehr repariert werden kann, wirst auch du dich daran halten, ist das klar?«
Der Ex-Dämon seufzte schwer. »Verdammt, Tony, das gefällt mir nicht.«
»Denkst du, mir gefällt’s? Aber ich werde mich trotzdem an die aufgestellten Regeln halten – weil ich keine andere Wahl habe.«
Mr. Silver hob resignierend die muskulösen Schultern.
Fünf Minuten später war ich mit Vladeks Rover zum Zentralfriedhof unterwegs.
***
Ein eigenartiges Gefühl beschlich mich. Ich stand vor dem Tor der Leichenhalle. Es war nicht abgeschlossen. Ein gespenstisches Rauschen veranlaßte mich herumzufahren.
Nichts. Nur die Schwärze der Nacht war hinter mir. Und Büsche, die der Wind mit seinen unsichtbaren Luftfingern bewegte. Am Himmel verdeckten vereinzelte Wolkenbänke die Sterne.
Die Szene war unheimlich. Obwohl ich mich nicht zum erstenmal nachts allein auf einem Friedhof befand, konnte ich den unangenehmen Schauer, der mir über den Rücken lief, nicht verhindern.
Mit schmalen Augen suchte ich meinen Gegner. Es konnte durchaus sein, daß er sich hier draußen versteckt hatte und mich in diesem Augenblick scharf beobachtete.
Doch mir fiel niemand auf. Deshalb wandte ich mich dem hohen Tor wieder zu und legte meine Hand auf das Holz. Sachte drückte ich dagegen. Das Tor schwang geräuschlos zur Seite.
Kälte strömte mir aus der Marmorhalle entgegen. Ich bemerkte, daß mein Herz ein wenig schneller schlug. Meine Hand glitt ins Jackett. Ich prüfte den Sitz meines Colt Diamondback, der in der Schulterhalfter steckte.
Die Waffe war mit geweihten Silberkugeln geladen. Ich hatte mit ihr schon so manchem Spuk ein Ende bereitet. Ich trug sie gern bei mir, wenn ich Wege wie diesen beschreiten mußte, denn sie vermittelte mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit.
Genau wie mein magischer Ring.
Vorsichtig trat ich ein. Jetzt war ich da, wo mich der Anrufer haben wollte. Er hatte mir mit Hilfe von Vladek eine Falle gestellt, und ich fragte mich, auf welche Weise er sie zuschnappen lassen würde.
Nachdem ich drei Schritte gemacht hatte, blieb ich stehen und lauschte. Außer meinem Herzklopfen war nichts zu hören. Einen Moment hatte ich Zweifel, Vladek Rodensky tatsächlich hier drinnen finden zu können, aber dann machte ich mich doch auf die Suche nach ihm.
Ich kam an mehreren Nischen vorbei, deren Stirnwände mit schwarzem Stoff drapiert waren. Meine Erregung wuchs. Mit jedem Schritt, den ich machte, wurde die Gefahr größer, daß der Unbekannte zuschlagen würde.
Ich versuchte, mich so lautlos wie möglich zu bewegen, um meinem Gegner die Sache nicht zu leicht zu machen. Immer wieder warf ich auch einen aufmerksamen Blick über die Schulter zurück. Ich wollte nicht von hinten überrascht werden. Doch vorläufig schien ich mich noch mutterseelenallein in dieser unheimlichen Halle zu befinden.
Da!
Was war das gewesen?
Meine Rechte riß sofort den Colt heraus. Hatte ich soeben ein verräterisches Geräusch vernommen? Ich war nicht sicher. Es war kaum wahrzunehmen gewesen. Es hatte sich wie ein schwerer, verzweifelter Seufzer angehört.
Meine Kehle war mit einemmal wie zugeschnürt. Ich schluckte und entsicherte mit dem Daumen die Waffe. Meine Züge verhärteten sich. Ich war entschlossen abzudrücken, wenn es einer wagen sollte, sich auf mich zu stürzen.
Es wäre mir lieb
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