GK283 - In den Katakomben von Wien
die Nachttischlampe, riß sie im Fallen zu Boden. Sie klirrte. Und Arik Speer war schon wieder heran. Vladek Rodensky dachte, seine letzte Stunde habe geschlagen, als der Knochenmann zum nächsten Schlag ausholte…
***
Ich schreckte hoch, wußte nicht, was mich geweckt hatte, glaubte, einen Schuß gehört zu haben. Oder war es das heftige Zuschlagen einer Tür gewesen? Ich lasse solche Dinge niemals auf sich beruhen.
Wenn man so lange wie ich mit der Gefahr zu leben gewohnt ist, weiß man, wie wichtig es ist, solche Dinge niemals auf die leichte Schulter zu nehmen. Nur wer stets vorsichtig und gewissenhaft ist, hat eine reelle Chance, allen Gefahren zu trotzen.
Ich war sofort aus dem Bett, in das ich mich vor zwei Stunden gelegt hatte. Beim Heurigen in Grinzing war nicht mehr viel herausgekommen. Mr. Silver und ich hatten Bernd Katzler versprochen, alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um seine quälenden Alpträume abzustellen, und mit diesem Versprechen hatten wir uns schließlich voneinander verabschiedet.
Jetzt hörte ich ein Poltern.
Dann zerbrach Glas.
Kampflärm!
Ich war sogleich unterwegs. Hastig riß ich die Gästezimmertür auf. Nebenan kam Mr. Silver aus seinem Zimmer. »Hast du das auch gehört, Tony?« fragte er mich überflüssigerweise.
»Würde ich sonst hier stehen?« gab ich zurück.
»Es kam aus Vladeks Zimmer, nicht wahr?«
»Ja.«
Wir rannten auf Vladeks Schlafzimmertür zu. Ich hämmerte mit meiner Faust gegen das Holz. »Vladek!«
Keine Antwort.
»Vladek!«
Nichts. Da öffnete ich entschlossen die Tür, stieß sie zur Seite und trat ein. Der Vorhang bauschte sich vor der offenen Balkontür. Mr. Silver machte Licht. Vladek Rodensky war verschwunden. Deutlich waren die Kampfspuren zu erkennen. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Ich war sofort beunruhigt. Mr. Silver rannte an mir vorbei und zum Balkon. Er verschwand hinter dem Vorhang und blickte in den Garten hinunter.
Als er wiederkam, sah ich ihn mit fragenden Augen an. Er schüttelte den Kopf. »Nichts. Keine Spur von ihm.«
So schnell wollte ich die Suche nach unserem Freund jedoch nicht aufgeben. Wir stellten mit System das gesamte Haus auf den Kopf. Sogar im Keller sahen wir uns um. Es blieb dabei: Vladek Rodensky schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, daß von diesem Augenblick an Schlaf nicht mehr zu denken war.
***
Arik Speer schleppte den ohnmächtigen Rodensky ein paar Straßen weit. Der Brillenfabrikant trug einen dunklen Seidenpyjama. Speer hatte aus dem Schlafzimmerschrank einen Regenmantel geholt. Diesen zog er dem Bewußtlosen jetzt an. Danach löste sich der Spuk auf und tauchte als Geist in Rodenskys Körper ein. Auf diese Weise konnte Speer den Brillenfabrikanten beleben, während dieser gleichzeitig weiterhin ohnmächtig blieb.
Mit schnellen Schritten eilte Speer-Rodensky die Straße entlang. Er vernahm das Brummen eines Automotors und drehte sich um.
Ein rostroter Peugeot fuhr durch die Straße. Der 504 GL verringerte sein Tempo und hielt an der nächsten automatischen Ampel an. Speer-Rodensky lief zu dem Wagen.
Er klopfte an die Seitenscheibe. Der Fahrer, ein rotgesichtiger, fleischiger Schlägertyp, schaute ihn mißmutig an.
Speer-Rodensky bedeutete dem Mann, er möge das Fenster hinunterkurbeln. Der Fahrer zögerte einen Augenblick. Er musterte das Gesicht des Fremden, fand, daß es vertrauenerweckend aussah, bequemte sich, an der Kurbel zu drehen.
»Was gibt’s denn, Meister?«
»Fahren Sie Richtung Währinger Straße?« fragte Speer-Rodensky.
»Ja. Warum?«
»Würden Sie mich mitnehmen? Mein Wagen hat seinen Geist aufgegeben. Ich muß ihn morgen abschleppen lassen. Seit einer halben Stunde warte ich schon auf ein Taxi, aber es kommt keines. Die, die an mir vorbeigefahren sind, waren alle besetzt.«
»Steigen Sie ein«, sagte der Rotgesichtige.
»Sie sind sehr freundlich.«
»Aber beeilen Sie sich. Es wird gleich grün.«
Der Mann öffnete die Türverriegelung. Speer-Rodensky ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Danke«, sagte er höflich. »Vielen Dank.«
Der Fahrer fuhr weiter. »Man hat immer wieder Ärger mit diesen Mistkarren, was?«
»Das kann man wohl sagen. Dabei ist mein Wagen funkelnagelneu.«
»Was für einer ist es denn?«
»Ein Jaguar.«
»Donnerwetter.« Der Fahrer pfiff anerkennend durch die Zähne. »Kostet einen Haufen Geld.«
»Er ist es nicht wert.«
»Ist überhaupt ein Wagen das Geld wert, das man
Weitere Kostenlose Bücher