GK283 - In den Katakomben von Wien
Hand. Ich versuchte, mir mit einem Gegenangriff Luft zu verschaffen, doch der Spuk war mir gegenüber im Vorteil, und er nützte diese Chance mit beängstigendem Geschick.
Ich deckte meinen Körper, so gut es ging. Während ich versuchte, den vehementen Angreifer mittels Bannsprüchen auf Distanz zu halten, war ich bemüht, eine Möglichkeit zu finden, den Spuk in den Griff zu bekommen.
Seine nächsten beiden Hiebe blockte ich wirkungsvoll ab, und als ich zurückschlug, traf ich ihn mehrmals voll. Das warf ihn aus dem Gleichgewicht. Er wich mir zum erstenmal knirschend aus.
Ich setzte – im Vertrauen darauf, ihn jetzt fertigmachen zu können – sogleich nach, wollte dem Unheimlichen den Rest geben, aber da erholte er sich von den Treffern wieder, packte mich mit eiskalten Knochenfingern an der Kehle, riß mich herum, versetzte mir einen derben Stoß, der mich quer durch den Raum beförderte, über den harten Rand einer Zinkwanne stolpern ließ und mich in diese hineinwarf.
Ehe ich es verhindern konnte, knallte der dicke Zinkdeckel auf den Metallsarg. Quietschend wurden die Schrauben zugedreht, und dann hörte ich meinen Gegner triumphierend rufen: »Jetzt hab’ ich dich, Ballard! Jetzt bist du verloren!«
Ich legte meine Hände auf den Deckel und versuchte, ihn mit großer Anstrengung hochzudrücken.
Es war unmöglich. Ich saß tatsächlich in der Falle!
***
Ganz langsam tauchte Vladek Rodensky aus seiner Ohnmacht auf. Dunkel erinnerte er sich an den Besuch des Knochenmannes in seinem Haus. Noch einmal erlebte er die letzten Phasen seines Kampfes mit dem Spuk.
Und dann… Blackout.
Vladek fröstelte. Er spürte den kalten Steinboden unter sich und ahnte, daß er weit von zu Hause weg war. Mühsam erhob er sich. Da er keinen blassen Schimmer hatte, wo er sich befand, griff er in die Tasche seines Regenmantels und fand ein flaches Streichholzbriefchen.
Seine Hand zitterte, als er das schlanke Stäbchen anriß. Zischend entzündete sich das Schwefelköpfchen an der rauhen Reibfläche. Vladek Rodenskys Augen verengten sich, als das Licht aufflammte.
Er schaute sich neugierig um und erschauerte im selben Moment. Kein Zweifel, er befand sich in einer Leichenhalle. Weswegen? Aus welchem Grund hatte ihn das Skelett hierhergebracht?
Vladek war so verwirrt, daß ihm nicht auffiel, daß das Streichholz schon fast ganz abgebrannt war. Erst als die Flamme schmerzhaft seine Finger verbrannte, zuckte er erschrocken zusammen und warf das Streichholz auf den Boden.
Egal, wie und warum er hierher gebracht worden war. Vladek Rodensky wollte keine Minute länger in diesem unheimlichen Gebäude bleiben. Er riß ein neues Streichholz an und suchte den Ausgang.
Nervös blickte er sich immer wieder um. In seinem Kopf befand sich eine bleierne Schwere. Er sah seinen großen schwarzen Schatten über die Marmorplatten gleiten und erschrak davor.
Während er seine Schritte beschleunigte, saß ihm pausenlos das unangenehme Gefühl im Nacken, der Knochenmann wäre hinter ihm. Mit rasendem Puls und hämmerndem Herzen fand er instinktiv den richtigen Weg.
Ein Luftzug blies ihm das Streichholz aus. Er blieb stehen, löste das nächste Hölzchen, doch bevor er es anreißen konnte, vernahm er schwere Schritte, die sich irgendwo draußen der Leichenhalle näherten.
Vladek Rodensky wich mit angehaltenem Atem zur Seite. Als er gegen die Marmorwand stieß, erschrak er. Nun verhielt er sich vollkommen still. Gespannt lauschte er den schweren Schritten.
Immer deutlicher waren sie zu hören, und Augenblicke später hallten sie von den Wänden des Korridors wider. Vladek preßte sich gegen die kalte Wand. Er hätte sich jetzt gern in Luft aufgelöst.
Seine Zähne gruben sich in die Unterlippe. So fest, daß es schmerzte. Seine Fäuste waren verkrampft. Er war entschlossen, sich verbissen seiner Haut zu wehren, falls er angegriffen werden sollte.
Irgendwo dort vorne in der Dunkelheit befand sich die Tür. Zehn Schritte etwa von Vladek entfernt. Er spannte die Muskeln an. Wenn er jetzt losrannte, konnte er in wenigen Sekunden aus dieser Leichenhalle draußen sein.
Dieser Gedanke fesselte Vladek. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an die Person, die soeben in die Halle gekommen war, sondern lief wie von Furien gehetzt los.
Aber er kam nicht weit. Vier Schritte. Dann war sein Sturmlauf zu Ende. Eine große Hand flog ihm entgegen. Er wurde gepackt und zur Seite gerissen. Mit großer Wucht prallte er gegen einen faßähnlichen
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