GK363 - Die Toteninsel
darauf achtete, die Unterschrift so hinzuschmieren, daß keiner sie lesen konnte.
Die Jungs waren hingerissen. Sie dankten mir mit strahlenden Augen. So einfach ist es manchmal, seinen Mitmenschen eine Freude zu bereiten.
Ich fuhr mit dem Lift zur Tiefgarage hinunter.
Während der Fahrstuhl unterwegs war, schob ich mir ein Lakritzbonbon zwischen die Zähne.
Ich dachte an Charlton Leachman und an Barry Culp, die für mich zu einem Problem geworden waren, das ich lösen mußte.
Genau betrachtet waren Leachman und Culp nur das Übel – meine Aufgabe mußte es sein, die Wurzel dieses Übels zu finden und unschädlich zu machen.
Wer gab den Toten die Kraft, aufzustehen und als Wiedergänger in ihrer gewohnten Umgebung zu erscheinen?
Wem machte es Spaß, die Toten aus ihren Gräbern zu holen?
Diese Frage mußte ich so bald wie möglich klären, und ich hätte es unverantwortlich gefunden, mit Vicky eine Party zu besuchen, wenn das Rätsel noch nicht gelöst war.
Die Rückkehr der Toten hatte bereits – das stand fest – ein Menschenleben gekostet: das von Cloris Leachman.
Sie wäre noch am Leben gewesen, wenn ihr Mann sie nicht zu sich geholt hätte.
Ein Teufelsspiel war das, das ich um jeden Preis durchkreuzen mußte.
Der Lift hielt an. Die kunststoff beschichteten Aluminiumtüren glitten auseinander.
Ich verließ die Kabine und hielt Ausschau nach Frank Esslins Leihwagen. Sobald ich ihn entdeckt hatte, trabte ich los.
Im Hintergrund der Garage erklang das Gelächter eines Mädchens. Dann knurrte der Motor eines Sportwagens, und gleich darauf brauste der Flitzer die Auffahrt hoch.
Nun war es still in der großen Garage.
Nur meine Schritte hallten.
Und plötzlich nahm ich noch etwas wahr. Meine Nackenhärchen sträubten sich sofort. Wie von der Natter gebissen wirbelte ich herum.
Da stand er.
Charlton Leachman!
Er war hinter einem dicken grauen Betonpfeiler hervorgetreten. Eiskalt starrten mich seine toten Augen an.
Und in seiner rechten Hand hielt er die massive Kurbel eines Wagenhebers…
***
Bill Bourbon schaute sich gewissenhaft um, bevor er das Haus betrat, in dem er wohnte. Weit und breit keine verdächtige Person. Prima. Die Bullen hatten seine Spur noch nicht gefunden.
Aber sie würden sie finden, dessen war sich Bourbon bewußt. Sie hatten mittlerweile längst jenes Abbruchhaus gestürmt, in das er sich mit Jim Hooks zurückgezogen hatte.
Sie mußten auch schon den toten Jim gefunden haben. Und nun begannen sie mit der gewissenhaften Klein-Klein-Arbeit.
Wer ist der Tote? Wo wohnte er? Mit wem war er befreundet? Wer kommt beim Bankraub als Komplize in Frage?
Langsam, aber sicher würden sich die Polizeibeamten an Bill herantasten. Deshalb erachtete er es als ratsam, das Feld rechtzeitig zu räumen.
Er hatte bereits einiges in die Wege geleitet.
Und vor allem hatte er sich einen wetterfesten Attachekoffer zugelegt. Er trug ihn in der linken Hand, während er die Stufen zum zweiten Stock hinauflief.
Als er oben ankam, keuchte er. Die Tür, auf die er zuging, war erst in der vergangenen Woche frisch gestrichen worden. Der grüne Lack roch noch ziemlich intensiv.
Bill Bourbon schloß auf.
Ihm gehörte in dieser Wohnung nur ein Untermietzimmer. Da er kaum Habseligkeiten besaß, hatte er Platz genug.
Als er in die Diele trat, kam die Vermieterin aus ihrem Wohnzimmer, in das sie ihren Untermieter nur höchst ungern ließ.
Mrs. Boggs war eine schmuddelige Frau, die den ganzen Tag mit bunten Papierwicklern im Haar herumlief.
Es hatte außerdem den Anschein, als besäße sie kein einziges Kleid, denn sie trug immer ihren grauen Schlafrock, der von einem Bindegürtel, der nicht dazu paßte, zusammengehalten wurde.
»Da war ein Anruf für Sie«, sagte Mrs. Boggs.
»Von wem?« fragte Bourbon erschrocken.
»Von einer gewissen Shirley… Ihren Nachnamen habe ich nicht verstanden. Sie wollte herkommen, aber ich sagte ihr, daß ich keine Damenbesuche dulde.«
»Bat sie Sie, mir etwas zu bestellen?«
»Sie sagte, sie würde später noch mal anrufen.«
»Ich danke Ihnen, Mrs. Boggs.«
»Sie müssen verstehen, ich kann solche Besuche nicht zulassen, das würde die Nachbarn schockieren.«
»Das ist schon in Ordnung, Mrs. Boggs«, sagte Bourbon.
»Einen schönen Aktenkoffer haben Sie da.«
»Freut mich, daß er Ihnen gefällt.«
»Ist er neu?«
»Ich habe ihn vor einer halben Stunde erst gekauft.«
»Wofür brauchen Sie ihn?«
»Eigentlich brauche ich ihn gar nicht. Aber er hat mir so
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