GK398 - Gefangen in der Spiegelwelt
sich ganz auf das, was der WHO-Arzt sagte.
Nachdem Frank geendet hatte, herrschte kurze Zeit Stille im Raum. Man hätte die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören können.
Ich sah Mr. Silver an, der neben mir saß. »Willst du immer noch nicht über deine Befürchtung reden?«
»Ich glaube, jetzt muß ich«, sagte der Ex-Dämon leise.
Frank richtete seinen Blick auf den Hünen mit den Silberhaaren. »Weißt du, was gespielt wird?«
»Ich nehme an, daß ich es weiß«, sagte Mr. Silver ausweichend. »Daß es nicht nur diese Welt gibt, ist euch allen bekannt.«
»Sprichst du von anderen Planeten?« fragte Frank.
»Nicht unbedingt. Nur von anderen Welten«, sagte Mr. Silver.
Mir fielen dazu die Dimensionen des Grauens ein, die Zwischenreiche, in denen sich gefährliche Dämonen verborgen hielten, Sektionen der Nacht und des Bösen…
Aber davon wollte Mr. Silver nicht reden.
Er sagte: »Es gibt eine Spiegelwelt…«
»Warst du schon mal da?« fragte Vicky Bonney.
»Irgendwann mal«, sagte der Ex-Dämon. »Aber das liegt sehr lange zurück.«
»Was passiert in dieser Spiegelwelt?« wollte Frank Esslin wissen.
»Was tut ein Spiegel?« antwortete der Hüne mit einer Gegenfrage.
»Er zeigt mir, wie ich aussehe«, sagte Frank.
Mr. Silver nickte. »Aber er kehrt gleichzeitig auch um. Und das tut auch die Spiegel weit: sie kehrt um. Doch sie beschränkt sich nicht nur auf Sichtbares. Sie macht aus Gesundheit Krankheit. Aus Frieden Krieg. Aus Gut Böse.«
Ich nahm einen Schluck von meinem Pernod. »Heißt das, daß es mich zum Beispiel zweimal gibt?« fragte ich meinen Freund und Kampfgefährten.
Mr. Silver nickte. »Es gibt einmal den Tony Ballard, der auf dieser Erde Gutes tut, wo immer er kann, und es existiert in der Spiegelwelt ein Tony Ballard, der von alldem genau das Gegenteil tut. Alles was hier passiert, geschieht drüben verkehrt.«
»Was hat das mit den Ereignissen von der vergangenen Nacht zu tun?« wollte Frank Esslin wissen.
»Die Mächte der Finsternis haben einen Tausch vorgenommen«, erklärte Mr. Silver. »Der dunkelgraue Pfeil, der in Hec Polanskis Haus gerast ist, hat das bewirkt. Während eurer kurzen Ohnmacht hat ein Austausch eurer Egos stattgefunden. Das Gute in euch wurde in die Spiegelwelt verbannt, und das Böse…«
»… ist nun in uns«, sagte Frank Esslin betroffen. »So etwas Ähnliches habe ich schon befürchtet. Wir haben einen schrecklichen Keim in uns. Bei Hec und Derek ist er schon aufgegangen. In Cristobal und mir steckt er noch drinnen. Wir sind lebende Zeitbomben.«
Vicky leerte ihr Glas und stellte es weg. »Eines verstehe ich nicht«, sagte sie.
»Was?« fragte der Ex-Dämon.
»Wieso haben sich Polanski und Morwenna in Monster verwandelt? Wenn sie aus einer Spiegelwelt kamen, wie du sagst, müßten sie da nicht gleich aussehen?«
»Das Böse mutiert gern, erklärte Mr. Silver.« Es nimmt mit Vorliebe alles Schlechte und Grauenerregende an, verbindet sich damit, saugt es wie ein Schwamm in sich auf, verändert dabei auch sein Aussehen. Es hatte einen weiten Weg durch schreckliche Dimensionen zurückzulegen. Was ihm dabei begegnete, nahm es mit auf die »Erde, und das wurde dann sichtbar.«
»Sowohl in Polanski als auch in Morwenna hat sich ein unbändiger Vernichtungswille befunden«, sagte ich.
»Der schlummert auch in mir«, sagte Frank Esslin niedergeschmettert.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Wir sind hier, um dir zu helfen.«
»Werdet ihr das können?« fragte Frank zweifelnd.
»Ich bin davon überzeugt«, sagte ich, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie wir das bewerkstelligen sollten. Ich hoffte, daß Mr. Silver eine Idee hatte, wie wir Frank retten konnten. »Solange Polanski und Morwenna nicht gemordet hatten, waren sie unverwundbar«, stellte ich fest.
»Weil sie ihren Auftrag noch nicht erfüllt hatten«, sagte Mr. Silver. »Es war ihre Bestimmung, der Hölle mindestens eine Seele zu verschaffen. Nachdem sie das getan hatten, schirmte das Böse sie nicht mehr ab. Für die Mächte der Finsternis war es ein doppelter Erfolg, denn sie kassierten damit gleich zwei Seelen.«
»Und nach dem Tod von Polanski und Morwenna kam es zum Rücktausch?« fragte Vicky Bonney.
»Ja«, sagte Mr. Silver. »Dadurch nahmen die beiden wieder ihr menschliches Aussehen an.«
Frank faßte sich mit zitternden Händen an die Schläfen. »Ich habe Angst vor mir selbst«, flüsterte er.
»Wo ist Cristobal Gerrick?« erkundigte sich Mr. Silver Frank
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