GK446 - Der Geisterhenker
lachte schallend, »Prima. Kaki, das Nachtgespenst, so soll er von jetzt an heißen.«
»Wißt ihr, was ihr seid?« knurrte Carsten Merz.
»Was denn? Sag es uns«, verlangte Oliver Kirste.
»Ausgemachte Idioten.«
»Oooooh, jetzt ist er böse auf uns«, lachte Torsten Klenke.
Sie setzten ihren Weg durch das nächtliche Hannover fort. Aber sie blieben nicht mehr lange beisammen. An der nächsten Ampel trennten sich Oliver Kirste und Torsten Klenke von Carsten Merz.
Über die Straße rief ihm Oliver noch nach: »Guten Heimweg, Kaki. Und sieh zu, daß dich kein Zombie erwischt.«
»Gute Nacht, Nachtgespenst«, rief ihm auch Torsten nach.
»Ihr könnt mich mal, ihr Pfeifen«, gab Carsten Merz zurück und ging seiner Wege.
Zwei Straßen weiter war auch Olivers und Torstens gemeinsamer Weg zu Ende. Sie lachten noch einmal herzlich über Kaki, das Nachtgespenst, verabredeten sich für den nächsten Tag und gingen jeder in eine andere Richtung weiter. Nun hatte Oliver Zeit, einige Passagen des Films noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren zu lassen. Schreckliche Szenen waren gezeigt und voll ausgespielt worden. Verdammt, das war nichts für schwache Nerven gewesen. Es war eigentlich zu verstehen, daß Kaki damit nicht so leicht fertigwurde. Er hatte noch nicht viele Gruselfilme gesehen, und die, die er sich angeschaut hatte, waren Ammenmärchen im Vergleich zu dem gewesen, was man ihm heute vorgesetzt hatte.
Auf seinem Heimweg lag ein kleiner finsterer Park.
Er hätte darum herumgehen können, aber der kürzere Weg führte geradewegs hindurch. Je näher Oliver dem Park kam, desto unsicherer wurde er. Sollte er es wagen, durch den Park zu gehen? Es würde unheimlich darin sein, und weit und breit würde keine Menschenseele sein, falls er Hilfe brauchte.
Er schüttelte heftig den Kopf. »Blödmann, was soll denn das? Wovor hast du Angst? Film und Wirklichkeit sind zwei verschiedene Dinge. Was im Film passiert ist, kann unmöglich in Wirklichkeit geschehen. Wie oft bist du nachts schon durch den Park gegangen, ohne dich zu fürchten. Entwickle dich jetzt bloß nicht zum Hasenfuß. Zeig, daß du Mut hast. Nimm den Weg durch den Park.«
Erschrocken stellte er fest, daß er den Parkeingang schon erreicht hatte. Seine Phantasie verquickte Realität mit dem, was er im Kino gesehen hatte. Er erinnerte sich an eine starke Szene, wo ein lebender Leichnam hinter einem Busch auf sein Opfer gelauert hatte.
Hinter einem Busch wie diesem dort!
Abermals schüttelte Oliver Kirste den Kopf. »Fang jetzt bloß nicht zu spinnen an!« rügte er sich. »Du gehst jetzt durch den Park und wirst sehen, daß nichts passiert.«
Er marschierte los. Ihm war nicht geheuer. Mächtige alte Bäume mit ausladenden Kronen schirmten das Mondlicht ab. Es war so finster, daß man fast die Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Und der Park war voller unheimlicher Geräusche. Dort wisperte es. Da raunte es. Hier schliffen Blätter über einen Ast. Dazu kamen die knirschenden Schritte des Jungen. Sein Puls beschleunigte, das war kein Wunder, und er schritt weit aus, um so schnell wie möglich die Mutprobe, die er sich selbst auferlegt hatte, hinter sich zu bringen.
Mehrmals warf er einen nervösen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, daß niemand hinter ihm war.
Eben jetzt schaute er wieder zurück.
Da!
Huschte dort nicht jemand durch die Dunkelheit?
Oliver Kirste zuckte wie unter einem Peitschenschlag zusammen. Sein Mund trocknete aus. Wie sagte sein Vater immer? »Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.«
Und was antwortete er stets darauf? »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.« Aber zum Kuckuck, was wollte er denn hier gewinnen? Er konnte hier doch nur verlieren. Wenn es ganz schlimm kam, das Leben!
Oliver strengte seine Augen an, um die Dunkelheit zu durchdringen. Die Gestalt, die er zu sehen gemeint hatte, zeigte sich nicht méhr. Aber war dies damit gleichbedeutend, daß sie nicht mehr da war?
Jetzt nahm Oliver die Beine in die Hand. Er lief. Der Parkweg krümmte sich nach rechts. Oliver Kirste hastete um ein wild wucherndes Gebüsch herum… und prallte in der nächsten Sekunde entsetzt zurück.
Seine Augen weiteten sich.
Er war fassungslos und verstört.
Was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Spielten ihm seine überreizten Sinne einen Streich? Was war los mit ihm? Was er erblickt hatte, konnte es unmöglich geben. Das mußte eine Szene sein, die seine Phantasie geschaffen hatte.
Keinen
Weitere Kostenlose Bücher