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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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liebevoll hergerichtet, so gut wie neu, mit goldfarbener Speziallackierung und goldfarbenen Felgen. Als Cabrio. Freestyle. Mit neuen, abgestepptenLedersitzen. Die Entführung kam Löhring sofort wieder in den Sinn: der Geruch nach feuchten Polstern im Wageninnern, die langsame Fahrt, die bedrängende Nähe zu Kellermann – und vor allem die Waffe. Da half selbst der Goldglanz nichts. Fassungslos stand Löhring vor dem Gefährt. Kellermann hatte wohl erkannt, dass sich auch ohne Bargeld so einiges in Auftrag geben ließ. Aber wie konnte der Knacki nur ein solches Risiko eingehen?
    Löhring klingelte Sturm an der Haustür. Doch es meldete sich niemand, auch nicht beim dritten Klingeln. Das war ungewöhnlich, denn Kellermann hielt sich äußerst selten außerhalb des Hauses auf. Er sei es schließlich gewohnt, eingebuchtet und überwacht zu sein, hatte er gesagt.
    Löhring ging um das Haus herum zur Terrassentür, dieses Mal mit einer unheilvollen Vorahnung.
    Er fand Kellermann bewusstlos an der Ordnerwand.

DAS ÜBERLASTUNGSSYNDROM
    Nirgendwo Blut. Offenbar keine Schusswunde. Das war ja schon mal was, dachte Löhring, als er Jürgen wenig später mit den flachen Handflächen Ohrfeigen gab, um ihn ins Leben zurückzubefördern. Er musste aufpassen, durfte nicht zu fest zuzuschlagen und bekniete seinen Partner, jetzt nicht schlappzumachen, nicht bei der derzeitigen Unternehmenslage. Er solle sich entweder endlich zusammenreißen oder mit diesem verdammten Spiel aufhören.
    Jürgen schwieg.
    Löhring legte instinktiv beide Hände da hin, wo er Kellermanns Herz vermutete, und begann rhythmisch zu pumpen, wie man es in diesen Arztserien immer sah. Emergency Löhring. So viel konnte man wohl nicht falsch machen dadurch, jeder Schauspieler konnte das. Löhring pumpte, spürte nach einiger Zeit etwas Hartes, Schweres auf Jürgens Herz. Er tastete die Brust ab, schlug das Sakko zur Seite, entfernte den Revolver aus der Innentasche und pumpte weiter. Es fühlte sich ziemlich operativ an. Er pumpte, bis die Fingerknöchel weiß wurden, pumpte erst schnell, dann etwas langsamer, zählte jeweils bis drei, mit Pausen, ohne Pausen. Die Haare fielen ihm ins Gesicht. Und ja, er fand schließlich seinen Rhythmus, der hoffentlich auch Jürgens Rhythmus war.
    »Um Gottes willen, Jürgen!« Ilse Kesch kam ins Zimmer gestürzt und kniete sich neben Löhring hin, drängte ihn beiseite. Sie war hysterisch, und das war das Letzte, was man als Ersthelfer gebrauchen konnte. Er ging wieder mit den Armen dazwischen,arbeitete sich am bewusstlosen Jürgen nach oben und klatschte weiter in dessen Gesicht.
    »Wilhelm, lass das doch!« Sie schubste ihn weg. »Wann kommt der Krankenwagen?«
    Während er Kellermanns Füße auf einen Ordnerstapel legte, sagte Löhring: »Vielleicht hat er nur kurz das Bewusstsein verloren. Kleine Umnachtung, kommt schon mal vor. Wir wollen es nicht übertreiben.« Zugegeben, er war emotional schon ein wenig involviert, aber es kam auch auf die situativ richtige Führung an.
    »Willst du mir sagen, du hast niemanden angerufen, lässt ihn hier einfach so liegen?«
    »Eine Ad-hoc-Entscheidung. Kann Stress sein. Kreislauf wahrscheinlich. Kenne ich. So etwas kriegen wir alle mal, ohne dass wir gleich zum Arzt rennen.«
    »Was?« Ilse blickte Löhring entsetzt in die Augen.
    »Ilse, denk doch mal nach. Hast du eine Ahnung, was wir riskieren, wenn er ins nächstgelegene Krankenhaus kommt? Kennst du seine Blutgruppe? Edgar hatte doch einen Herzschrittmacher. Was werden die denken, wenn die ihn jetzt nicht mehr finden?«
    Ilse Kesch sprang auf, rannte zum Telefon und wählte die 112. »Edgar hat sich ausschließlich hinter der Grenze behandeln lassen. Du weißt ja selbst, wie schnell man hierzulande gebrandmarkt wird, da vergisst man nach der OP schon mal eine Klemme im Patienten.«
    Als der Notruf durchgegeben war, richtete sich Löhring auf und ging langsam durch den Raum. »Das wusste ich nicht.«
    »Ach, und was du nicht weißt, kann auch nicht stattgefunden haben, oder was? Und jetzt verlass bitte mein Haus.« Sie kniete sich wieder neben Jürgen und strich ihm über die Wange.
    Löhring warf noch einen letzten Blick auf den Bewusstlosen, ging ohne ein Wort und zog die Haustür hinter sich zu. Als er die Auffahrt hinunterfuhr, sah er durch die Bäume bereits das Blaulicht des Krankenwagens auf der Hauptstraße. Er setzte dieSonnenbrille auf, gab Gas, verließ das Grundstück und fuhr in die entgegengesetzte Richtung

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